Legal Coaching – was ist das eigentlich?

Christina Ringe-Rathgen erklärt Legal Coaching anhand eines Beispielfalles: Der Streit um die Orange.

Coaching ist heutzutage in aller Munde. Viele haben ihre eigenen Erfahrungen damit gesammelt, schwören darauf und tun scheinbar nichts mehr ohne „meinen Coach“. Andere sehen im Coaching vor allem eine nervige Modeerscheinung, einen leeren Begriff oder allenfalls einen schwammigen Zeitvertreib für Leute, die nicht wissen, wohin mit ihrer Zeit und ihrem Geld.

Mal ehrlich, haben Sie eine konkrete Vorstellung davon, was Coaching ist. Wie es funktioniert, wozu es dient und wie vielleicht auch Sie davon profitieren könnten?

Und was ist überhaupt Legal Coaching? Coaching in der sachlich-nüchternen Rechtsbranche – wie passt das bitte zusammen? Die Antwort ist: besser als gedacht!

Coaching

Coaching ist nichts anderes als Hilfe zur Selbsthilfe. Mittels angeleiteter Selbstreflexion und unter Einsatz gezielter Fragemethoden und Coachingtools unterstützt der Coach seinen Klienten, den sog. Coachee, dabei, eigene Antworten und Lösungen zu Fragen und Problemstellungen zu finden, die ihn beschäftigen. Coaching wertet nicht und ist keine Beratung, die Antworten gibt. Aufgabe des Coachings ist, den Coachee auf dem Weg zu seinen eigenen, individuell für ihn passenden Lösungen zu begleiten.

Legal Coaching

Als Jurist oder Juristin verfügen Sie über die Expertise, um Menschen juristisch fachkompetent zu beraten. Ihre Klienten konsultieren Sie mit juristischen Fragestellungen, die sie ohne Expertenrat allein nicht oder nicht optimal lösen können. In der Regel handelt es sich um Lebenssachverhalte, in denen mehrere Parteien eine Rolle spielen. Und das ist der springende Punkt: Hier stoßen nicht nur Interessen aufeinander, sondern – aufgepasst! - Menschen: Individuen mit ihren jeweils ganz eigenen menschlichen Hintergründen, Geschichten und oft sogar ihnen selbst unbewussten Motivationen.

In einem anspruchsvollen Jurastudium wurden Sie dazu ausgebildet, Lebenssachverhalte im Laufschritt in Paragraphen zu übersetzen und den Werkzeugkoffer des deutschen Rechts anzuwenden. Was im Studium dagegen nicht vermittelt wird: Das Menschliche, nämlich die Motivation hinter dem juristischen Auftrag, zu hinterfragen und zu verstehen – und es bei der Bearbeitung eines juristischen Mandats konstruktiv in die Aufgabenstellung und Lösungsfindung mit einfließen zu lassen.

Hier liegt der Unterschied.

Ihr Ziel in der juristischen Beratertätigkeit ist, für Ihre Klienten das bestmögliche Ergebnis herbeizuführen. Aber was ist „bestmöglich“? Hier geht es um Nachhaltigkeit. Eine juristische Lösung ist dann nachhaltig tragfähig, wenn sie von den beteiligten Parteien so weit wie möglich akzeptiert wird. Die Akzeptanz der betroffenen Parteien ist dann gegeben, wenn die Parteien in der gefundenen Lösung einen Sinn erkennen können, sich darin „wiederfinden“. Ziel aller juristischen Bemühungen sollte also immer sein, ein Ergebnis zu generieren, das den echten Interessen der Parteien bestmöglich gerecht wird.

Sie ahnen es schon – die „echten Interessen“. Was heißt das? Geht es darum nicht immer? Überraschung...! Genau das tut es eben nicht! Oft suchen Menschen einen juristischen Rat, ohne sich selbst bewusst zu sein, was sie eigentlich antreibt, was die eigentlichen Interessen sind, die hinter ihrem Anliegen stehen. Sie konsultieren einen Anwalt – der jedoch ist bekanntlich kein Hellseher. Als Jurist bearbeitet er fachlich kompetent das ihm vorgetragene juristische Anliegen, in der Regal aber ohne die Hintergründe zu erforschen, die hinter der juristischen Fragestellung stecken. Die wenigsten Anwälte erkennen das als Teil ihrer Aufgabe und nicht zuletzt fehlt ihnen dazu ganz einfach auch die Ausbildung.

Nehmen wir den „Fall mit der Orange“:

Zwei Kinder streiten sich um eine Orange, die sie als Miteigentümer besitzen. Jedes möchte die Orange für sich haben. Wie lösen Sie diesen Fall?

A. Messer nehmen, Orange in der Mitte teilen und jeder bekommt die Hälfte. Juristisch übersetzt: Jeder bekommt 50% des streitigen Objekts. - Oder?

B. Einfach mal fragen, was die Kinder mit der Orange vorhaben. Was treibt sie an? Was sind ihre „echten Interessen“? Was wollen sie wirklich? – Kind 1 wird vielleicht antworten: „Ich habe Durst. Ich möchte die Orange auspressen und den Saft trinken.“ Kind 2: „Ich möchte einen Kuchen backen. Ich brauche die Schale.“

Die Lösung:

Jedes Kind bekommt 100% von dem, was es wirklich braucht. 50% mehr, als der gerechte Richter ihm zugesprochen hätte.

So funktioniert Coaching im Rahmen einer juristischen Fallbearbeitung. Der Legal Coach ist Jurist mit  zusätzlicher Coachingqualifikation, die er im Bedarfsfall zur Anwendung bringen kann. Dank seines sog. Coaching-Mindsets und einer entsprechend geschulten Wahrnehmung, erkennt er, wann ein integriertes Coaching im Einzelfall sinnvoll sein kann. In Absprache mit dem Mandanten kann dies in die Bearbeitung des Mandats einbezogen werden. Auf diese Weise lassen sich oft Ergebnisse erzielen, die den eigentlichen Interessen der Parteien gerechter werden und bei den Mandanten für weitaus größere Zufriedenheit sorgen als durch eine rein juristische, wenngleich einwandfreie Lösung. Anwendungsgebiete sind nicht nur klassisch „menschelnde“ Rechtsgebiete wie Familien- oder Erbrecht, sondern auch Verhandlungen über Change Prozesse wie z. B. Unternehmensnachfolge, Umstrukturierung o. ä. können erheblich von einem Legal Coaching profitieren.

Nicht zuletzt wirkt sich ein Coaching-Mindset auf das gesamte persönliche Umfeld positiv aus, sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext. Wer verstanden hat, dass Menschen ihre eigenen Lösungen grundsätzlich bereitwilliger akzeptieren als von außen aufoktroyierte Lösungen, wird immer anders mit anderen umgehen, sei es mit Mitarbeitenden oder mit der eigenen Familie, und positivere Reaktionen zurückbekommen als jemand, der urteilt und anderen seine Meinung und vorkonfektionierte Lösungen vorsetzt.

Zugegeben, nicht immer ist es so einfach wie im Fall mit der Orange. Immer aber kann ein Blick hinter die Kulissen helfen, für den eigenen Mandanten mehr herauszuholen.

Legal Coaching

Legal Coaching

Der große Unterschied zur Mediation

Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Legal Coaching nicht dasselbe ist wie Mediation. Anders als in einer Mediation behält der Anwalt sein Mandat und verliert nicht seine Parteilichkeit. Ziel des als Legal Coach tätigen Juristen ist immer eine ganzheitlichere Lösungsfindung im Auftrag und zum Vorteil seines Klienten, bei der ein Maximum des Mandanteninteresses realisiert wird . Das Legal Coaching stellt eine Zusatzleistung im Interesse des Mandanten dar, deren Preis in einer gesonderten Honorarvereinbarung geregelt wird, vergleichbar mit privaten Zusatzleistungen im Rahmen einer ärztlichen Behandlung.

Coaching for Legals      

Ebenfalls nicht zu verwechseln ist das Legal Coaching mit dem Coaching for Legals. Dies ist ein allgemeines Coachingangebot speziell für Menschen mit juristischem Hintergrund, also solche, die „juristisch ticken“, sachlich-analytisch ausgerichtet sind und keine Lust auf Schnörkel und Stuhlkreis haben.

Coaching for Legals ist ein Coaching mit sog. Coachingtools und Methoden die auch im Coaching mit Nicht-Juristen eingesetzt werden können. Der Unterschied besteht darin, dass das Coaching for Legals ausschließlich von zertifizierten Coaches durchgeführt wird, die über einen qualifizierten juristischen Hintergrund verfügen, teilweise selbst aktiv juristisch tätig sind, und so anderen Menschen aus der Rechtsbranche auf Augenhöhe begegnen.

Welchen Nutzen kann das Coaching einem Juristen bringen?

Auch Juristen sind „nur Menschen“. ;) Sie haben die gleichen Interessen, Bedürfnisse, Motivationen, Beschwernisse und auch Ängste wie alle anderen Menschen, führen ein Leben und müssen mit Herausforderungen und Widrigkeiten beruflicher oder privater Natur fertigwerden, so wie alle anderen auch. Auch Juristen stehen – im Beruf oder privat - manchmal vor Fragen, die ihnen Kopfschmerzen bereiten und finden sich in Lebenssituationen wieder, die schwierig bis unlösbar erscheinen.

Manchmal ist es auch einfach nur ein Punkt, an dem man nicht weiterkommt.

Ein coachender Austausch ist immer hilfreich. Er kann den Kopf freimachen, Klarheit schaffen, neue Perspektiven öffnen, Antworten bringen oder auch einfach nur Erleichterung.

Neugierig geworden? Machen Sie einfach mal die Probe aufs Exempel. Sie können nur gewinnen.

Für eine Terminvereinbarung oder weitere Informationen rufen Sie uns an.

Wir freuen uns auf Sie!