CLP-Interviewreihe: Martin Kayser

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Martin Kayser, Hochschuldozent und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Martin Kayser coacht Richter, Anwälte und Hochschuldozenten. Daneben coacht er auch Teams in halbstaatlichen Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung. Nach Jahren in der Anwaltschaft und der Justiz arbeitet er nun als Hochschuldozent. Daneben unterrichtet und publiziert er zu Recht und Politik, dem öffentlichen Verfahrensrecht und immer öfter auch zu Themen, die mit der Juristerei direkt nichts zu tun haben.

Seine Coaching-Ausbildung machte Martin Kayser am INSEAD, seine juristische Ausbildung am University College London (LL.M. in Public Law) und an der Universität Zürich (Dr. iur.). Er interessiert sich für romanische Kirchen, jüdische Kultur, Loriot, und König Charles. Er lebt mit seiner Partnerin in Zürich und im Veneto.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Mein erstes Coaching machte ich 2006. Ich wollte herausfinden, was ich gut kann, was weniger gut, und wo die Reise mit 35 hingehen könnte. In der Folge hatte ich als Anwalt oft mit Coaches zu tun, die auch Organisationsberatung machten. Dabei kam der Gedanke auf, das selbst zu machen.

Was mich am meisten faszinierte: Wie ein gutes Coaching bei Entscheidungen helfen kann. Ebenfalls fasziniert hat mich, wie ein solches Coaching noch nach Jahren Früchte zeigen kann. Ich blieb am Thema dran, recherchierte, besuchte erste Kurse, so z.B. zu Persönlichkeitstests. Als ich dann als Anwalt Elemente des Coachings in die Beratung einbaute, merkte ich, welch enormes Potential darin steckt. Da wusste ich: Ich möchte mindestens einen Zehntel meiner Zeit mit Coaching verbringen. So nach und nach ist mir das gelungen.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Ich richtete meine Ausbildung stark auf Selbsterfahrung aus. Aus meiner Sicht kann nur gut coachen, wer sich selbst gut kennt. Ich bin deshalb ans INSEAD gegangen, das psychodynamisch ausgerichtet und großen Wert auf die praktische Anwendung legt.

Auch in der Folge achtete ich auf die Arbeit in kleinen Gruppen, ein internationales Umfeld, die Akkreditierung der Institution und vor allem eine engmaschige Supervision. Mein Motto lautet dabei „klotzen, nicht kleckern“. Lieber also eine Weiterbildung weniger, dafür dann das Geld und die Energie in eine Zusatzausbildung investieren, die wirklich etwas bringt. So gehe ich bald wieder ans INSEAD für eine Weiterbildung zum Coaching von Gruppen.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Ein paar Kollegen haben meinen Schritt anfangs nicht verstanden. Bei „Coaching“ denken viele an „Life-Coaches“ und andere selbsternannte Glücksbringer. Wenn ich meinen Kollegen erkläre, dass ich im Grunde bloß aufmerksam zuhöre, verändert sich das Gespräch. Einige sagen mir dann, dass in der Juristenwelt einem im Grund kaum jemand zuhört. Vielmehr werde klassifiziert, eingeordnet, geschliffen formulierte Rat gegeben, wahlweise mit Bezug auf Habermas oder Böckenförde – das eben, worauf wir Juristen während Jahrzehnten getrimmt wurden.

Wenn ich nun bei Mitarbeitergesprächen, in Sitzungen oder im Gespräch mit einem Klienten einfach nur zuhöre, entstehen neue und völlig überraschende Situationen. Meine Tätigkeit ist zwar immer noch juristisch – letztlich unterscheidet sie sich allerdings fundamental von dem, was ich noch vor 10 oder 15 Jahren gemacht habe.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Bei uns in der Schweiz kann man als Hochschuldozent und Richter teilzeitlich arbeiten. Ich habe also Zeit, mich nebenberuflich meinem Coaching-Business zu widmen. Dabei coache ich Professoren, Anwälte und Inhouse-Counsel, manchmal auch Richter. Potenziellen Klienten sage ich zwar stets, dass es auf meinen beruflichen Hintergrund nicht ankomme. Aber letztlich vertrauen einem die Leute eher, wenn man ihr berufliches Umfeld einigermaßen kennt.

Daneben setze ich Coaching-Elemente in Weiterbildungen und Lehrveranstaltungen ein. Es ist erstaunlich, wie viel in einer Gruppe entsteht, wenn man mehr Raum für Diskussionen lässt, oder nach einem Votum einfach mal nichts sagt. Und im Richteramt selbst spielt Coaching eine immer wichtigere Rolle.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Die Bedeutung wird steigen. Bei der Recherche kann uns die Maschine immer mehr abnehmen. Auch beim Texten werden wir durch maschinelle Intelligenz unterstützt. Was ChatGPT & Co. jedoch noch nicht können: auf Zwischentöne achten, den Menschen in seiner Komplexität erfassen, mit dem „täglichen Wahnsinn umgehen“, in dem sich unser Gegenüber befindet.

In der Juristenausbildung wird Coaching eine größere Rolle spielen. Man sieht das bei uns in der Schweiz bei Fachhochschulen, die wesentlich beweglicher sind als die traditionellen Universitäten.

Ihr persönliches Fazit:

Ich würde eine Coaching-Ausbildung jedem Juristen empfehlen, der mehr über sich selbst erfahren möchte. Juristerei und Coaching liegen letztlich näher zusammen, als man auf den ersten Blick denkt: Unser tägliches Brot als Juristen verdienen wir mit der Hermeneutik. Was will mir dieser Text sagen? Welchen Sinn machen diese Worte?

Dies ist auch Aufgabe von uns Coaches: Was meint mein Gegenüber wirklich? Was entsteht gerade in diesem Raum? Aufpassen muss man einfach, dass man die beiden Rollen nicht vermischt – als Anwalt werde ich für einen glassklaren Rat bezahlt, als Richter für ein eindeutiges Urteil. Als Coach dagegen muss ich mich damit abfinden, dass die Dinge eben nicht so eindeutig liegen, wie es der Klient gerne hätte, ebenso, dass nicht ich die Lösung präsentieren muss, sondern sie vielmehr tief im Innern meines Gegenübers schlummert.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Martin Kayser finden Sie hier:

www.linkedin.com/in/martinkayser/

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