CLP Interviewreihe: Lion Logert

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Lion Logert, Unternehmensjurist und Mindset Coach im Interview bei CLP.

Lion Logert hat seine juristischen Staatsexamina in Bayern und Baden-Württemberg absolviert mit Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht. Er arbeitet als Business Mindset Coach für Unternehmer und Selbstständige und als Unternehmensjurist bei der G&H Bankensoftware AG. In seiner Freizeit widmet er sich der Kalligraphie und dem Langstreckenlauf.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Erste Berührungspunkte mit Coaching Inhalten erlebte ich während meines Abiturs. Meine Interessen an Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie, Unternehmensberatung und Spiritualität führten mich dazu. Ich befand mich damals in einer Situation, in der es mir objektiv sehr gut ging. Denn das Abi war fast fertig, das Studium stand vor der Tür und das Leben stand mir sprichwörtlich offen. Dennoch empfand ich subjektiv ein beträchtliches Unwohlsein, das ich mir nicht erklären konnte. Die Inhalte meiner Coachings eröffneten mir neue Perspektiven, die wiederum neue Lebensqualität verschafften. Mich faszinierte der Satz von C.G. Jung: „Bevor Du Dein Unbewusstes bewusst machst, wird es Dein Leben regieren und Du wirst es Schicksal nennen.“ Im Coaching wird das Unbewusste bewusst. Man versteht sich und seine tieferliegenden Motive, Muster und mentalen Strategien. Das reizte mich enorm und begleitet mich seit jeher zu besseren Entscheidungen und mehr Zufriedenheit.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Vorab: ‚Coaching‘ ist ein überaus facettenreicher Begriff. Es gibt Coachings für Zeit-Management, für Leadership, für Kommunikation, für Partnerschaft, für Eltern, für Spiritualität uvm. Inhalte, Prozesse und Ziele sind vielfältig. Zum Vergleich: Ein Strafverteidiger tut gänzlich andere Dinge als ein Sachbearbeiter im Bauamt, beide lösen aber als Juristen entsprechende Fragestellungen.

Als ich mich tiefer mit Coaching Inhalten befasste, achtete ich vor allem auf zwei Dinge. Erstens die Person der Coaches: Ich suchte mir Menschen, die Dinge erreicht hatten, die ich erreichen wollte und die ich faszinierend und sympathisch fand. Zweitens achtete ich auf meine eigene Relevanz bezüglich der Themen des Coachings: Ich lernte Fähigkeiten und Fachwissen in Bereichen, in denen ich selbst Schmerzpunkte hatte oder die ich aus anderen Gründen hochinteressant fand.

Eine solche gezielte, auf persönlichen Motiven beruhende Selektion erleichtert das Lernen, weil das menschliche Gehirn aufgrund des Eigeninteresses die jeweilige Information bevorzugt verarbeitet und speichert. Die Orientierung an Vorbildern, mit denen man sich selbst identifizieren kann, katalysiert diese Wirkungen weiter.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Coaching fördert innovative Denk- und Verhaltensweisen. Die Reaktionen waren entsprechend polarisiert.

Auf der einen Seite gab es Vollblut-Skeptiker. In der Juristerei findet man überdurchschnittlich viele Persönlichkeiten mit konservativer Attitüde. Man denke an die Anekdote von dem Verwaltungsjuristen, dem man eine Innovation vorschlägt und der angewidert bellt: „Das haben wir schon immer so gemacht! Da könnte ja jeder kommen! Wo wollen wir denn da hin kommen?!“ Hinzu tritt die Stigmatisierung psychologischer Inhalte. Wer sich ein Bein bricht, soll zum Arzt. Wer unter psychischen Schmerzen leidet, soll sich nicht so haben.

Auf der anderen Seite waren da über die Maßen offene und interessierte Zeitgenossen. Sie wurden auch meine ersten KlientInnen. Mit diesen verbrachte ich als Student zahllose Stunden beim Üben von Coaching Techniken. Dort begann spielerisch dasjenige, was heute zur Profession geworden ist.

Wie sich die Tätigkeit verändert hat? Meine Coaching Ausbildungen haben mich unter anderem in die Lage versetzt, zwischenmenschliche Situationen stets aus einer Meta-Ebene betrachten zu können. Welche Interessen hat mein Gegenüber? Welche situativen Faktoren und mentalen Strategien erzeugen das Verhalten dieser Person? Diese Betrachtungsweisen beugen Missverständnissen vor.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

In meinen beruflichen Kontexten dienen mir Methoden des Coachings zur effektiven Kommunikation und zur Zielerreichung. Dabei kann man alle Pferdestärken aus dem Coaching Werkzeugkoffer auf die Straße bringen. Mit präzisierenden Fragetechniken können wir Ziele konkreter formulieren. Mit Mentaltrainings lösen wir unbewusste Blockaden auf. Mit Werkzeugen aus der klassischen Unternehmensberatung sorgen wir für Effizienz und Messbarkeit der Prozesse.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Klassiker: Es kommt darauf an. Worauf kommt es an? Auf die individuelle Zielsetzung. Wer in einer kleinen Behörde als SachbearbeiterIn vollauf zufrieden ist, benötigt Coaching nicht unbedingt. Und das ist keineswegs provokativ zu verstehen sondern lediglich als pointierte Lagebeschreibung.

Wie bereits erwähnt, befähigt Coaching vor allem zu effektiver Kommunikation. Neben den juristisch handwerklichen Qualifikationen, die man sich in Studium und Referendariat aneignet, kann eine solche zusätzliche Expertise in der Praxis besonders für diejenigen JuristInnen relevant sein, deren Entscheidungen einen beträchtlichen gesellschaftlichen Einfluss entfalten. Vertiefte Kompetenzen in menschlicher Kommunikation ermöglichen es diesen, die Interessen aller Beteiligter effektiv zu verstehen und zu vermitteln. So erzeugen sie integrierte und kohärente Entscheidungen. Die so getroffenen Entscheidungen werden Interessen-Kollisionen zwar niemals ganz verhindern. Sie reduzieren sie aber signifikant und steigern dadurch die Effizienz des Gesamtsystems der menschlichen Gesellschaft.

Was die Entwicklungstendenzen angeht, scheint die Offenheit gegenüber Themen, wie sie in Coachings typischerweise vorkommen, in den vergangenen Jahren stark gestiegen zu sein. JuristInnen beschäftigten sich damit und wagen vermehrt den Blick über den Tellerrand. Erfreulich!

Ihr persönliches Fazit:

Goethe soll gesagt haben, es sei mit der Juristerei wie mit dem Bier. Zunächst erschaudert man, doch dann möchte man nicht mehr ganz davon lassen. Ähnlich kann es einem mit dem Coaching ergehen: eigene Schwächen akzeptieren und einsehen, dass man einen Verursachungsbeitrag auch zu all jenen Lebensinhalten geleistet hat, die man zwischenzeitlich ablehnt. Das ist hart. Diesen Pfad der Erkenntnis zu beschreiten, sich selbst zu verstehen und dadurch Potentiale entfalten zu können. Das ist die Belohnung. Ob es das wert ist, das muss jede/r selbst entscheiden.   

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Lion Logert finden Sie hier:

Website: https://www.LionLogert.com

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/lion-logert/

Podcast: https://podcasts.apple.com/de/podcast/die-psychologie-des-unternehmertums/id1632079615

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