CLP Interviewreihe: Dr. Christine Heeg-Weimann, LL.M. (Sydney)

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Christine Heeg-Weimann, LL.M. (Sydney), Rechtsanwältin, Mediatorin und Legal Coach im Interview bei CLP.

Dr. Christine Heeg-Weimann, LL.M. (Sydney) ist Rechtsanwältin, Mediatorin und Personal/Business Coach. Sie berät Unternehmen und Privatpersonen in der Vertragsgestaltung und Fragen des Zivil-, Handels- und Wirtschaftsrechts einschließlich ESG sowie im Bereich Konfliktvermeidung und Konfliktlösung durch rechtliches und strategisches Risikomanagement, Verhandlung, Mediation und in streitigen Fällen in Gerichtsverfahren und internationalen Schiedsverfahren. Recht versteht sie dabei als „Werkzeugkiste“ („law is a toolbox“) zur Erreichung der Ziele ihrer Mandanten/-innen im Rahmen des rechtlich Möglichen mit einem Fokus auf persönliche oder wirtschaftliche Ziele und nachhaltige Gestaltung. Dr. Christine Heeg-Weimann ist verheiratet, Mutter von 3 Söhnen und lebt und arbeitet an Rhein und Ruhr (Duisburg/Düsseldorf).

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Ich berate meine Mandanten/-innen seit Beginn meiner beruflichen Tätigkeit als Anwältin seit 2007 in Gestaltung, Risikomanagement und Konfliktlösung. Dabei waren maßgeschneiderte Strategien für die Erreichung von Zielen stets in meinem Fokus. Ergänzt habe ich meine Erfahrungen in der Streitbeilegung ab 2010 durch Studien zur Mediation im In- und Ausland (USA, Australien, China und Japan). Im Rahmen meines Masterstudiums Mediation habe ich dann 2016 auf Anregung eines Mentors die Brücke von der Mediation zum Coaching geschlagen, die Gemeinsamkeiten aufweisen. Mich fasziniert im Coaching und der Mediation der Prozess, der den Menschen oder das Team in den Fokus stellt und die Parteien/Coachees in eigener Verantwortung und auf ihre eigene Art und Weise und im eigenen Tempo den jeweils für sie richtigen Weg und das persönliche Ziel selbst erarbeiten lässt. Ich vertraue auf diesen Prozess und erlerne dieses „Vertrauen auf den Prozess“ und die Kraft der eigenen Gestaltungsfähigkeit mit meinen Coachees.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Beim Erlernen von Coaching war für mich der Fokus auf den gecoachten Menschen und die eigene Neutralität stets von besonderer Bedeutung. Dies beginnt beim aktiven Zuhören, der sensiblen Auswahl von Tools und Methoden und gipfelte in meiner Coaching-Ausbildung im wieder und wieder geübten Feedback-Dreieck mit Feedback der gecoachten Person, des Coaches und eines neutralen Beobachters. Diese eigene Neutralität und aktives Zuhören sind in meiner Coaching-Praxis bis heute von besonderer Bedeutung. Wenn ich als Coach um rechtlichen Rat gefragt werde, mache ich deutlich, dass ich dann anwaltlich berate und eine rechtliche Lösung bespreche, die von der im Coaching selbst erarbeiteten Lösung abweichen kann.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Meine Ausbildung zur Mediatorin und meine Coachingausbildung haben mir noch deutlicher gemacht, welche Bedeutung dem objektiven Sachverhalt und der persönlichen Sicht und Wahrnehmung der Beteiligten zukommen, während die rechtliche Gestaltung darauf und auf den Zielen des jeweiligen Menschen oder Teams bzw. Unternehmens erst aufbaut. Seitdem liegt ein noch stärkerer Schwerpunkt meiner anwaltlichen Tätigkeit im aktiven Zuhören und der grundlegenden Herausarbeitung von Sachverhalt und Zielen mit den Beteiligten. Die Gestaltung rechtlicher Lösungen steht damit erst an zweiter Stelle und ergibt sich dann manchmal für meine Mandanten/-innen wie von selbst. Dies gilt besonders, wenn sie nicht nur eigene Ziele erarbeitet, sondern sich auch zuvor verborgene Motivationen und unerkannte Einflussfaktoren bewusst gemacht haben. Meine Mandanten/-innen wie Kollegen/-innen schätzen dabei den offenen Austausch und die intensive Aufarbeitung der Ausgangssituation, die die weitere Zusammenarbeit vertrauensvoll und produktiv machen.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Techniken des Coachings setze ich in meiner anwaltlichen Beratung ein, wenn ich mit Mandanten/-innen den Sachverhalt und die Ausgangssituation beleuchte und die zu erreichenden Ziele herausarbeite. Ich arbeite mit Mandanten/-innen auf Augenhöhe, höre aktiv zu, frage nach und erarbeite so den Sachverhalt und Ziele und Wahrnehmungen der Beteiligten und sehe dann mögliche Stellschrauben für das Finden einer Lösung.

Coaching außerhalb der anwaltlichen Beratung nutze ich zur gezielten Unterstützung von Coachees auf der Suche nach ihrem eigenen Weg oder Ansatz, Zielen und Strategien und zur ganzheitlichen Gestaltung für Menschen und/oder Teams, die Veränderung bewirken oder einzelne Bereiche ihres Lebens oder Miteinanders aktiv gestalten wollen (Persönliches Wachstum, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familienleben in allen Aspekten, Konfliktvermeidung und Konfliktlösung, Teamaufstellung und Change Management).

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Coaching spielt eine immer wichtigere Rolle in der rechtlichen Beratung und im ganzheitlichen Konfliktmanagement. Wurde der Anwalt in der Vergangenheit als rechtlicher und strategischer Berater konsultiert, wird dieser heute mehr nachgefragt, damit Menschen oder Unternehmen eigene Ziele erreichen und persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen maßgeschneidert gestalten können. Genau herauszuarbeiten, worauf es hier im Einzelfall ankommt – und nicht auf ein festes Schema aus Rechtskonstrukten oder Vertragsmustern zurückzugreifen – ist hier die wichtigste Aufgabe und Basis für Vertrauensaufbau, die Herausarbeitung von Gestaltungsmöglichkeiten, Change Management und nachhaltige Konfliktlösung. An genau diesem Punkt kommt Legal Coaching zum Einsatz – gezielt oder mehr und mehr auch in die anwaltliche Beratungspraxis integriert. Eine Coachingausbildung ist damit aus meiner Sicht für jeden Anwalt/Anwältin und insbesondere forensisch und in diversen Teams tätigen Juristen eine Bereicherung und Unterstützung.

Ihr persönliches Fazit:

Recht – rechtliche Beziehungen gestalten oder im Konflikt Recht bekommen – kann nie Selbstzweck sein, sondern allenfalls Mittel zum Zweck. Coaching und die Herausarbeitung der wichtigsten persönlichen oder wirtschaftlichen Ziele und ihr Erreichen durch ein Team oder die gecoachte Person selbst (und ihr Gegenüber) sind die Basis für eine nachhaltige Gestaltung von persönlichen wie wirtschaftlichen Beziehungen, die lange halten. Durch Vereinbarungen und Handeln auf der Basis dieser im Coaching selbst erarbeiteten und im eigenen Fokus stehenden Ziele können Wege der Zusammenarbeit beschritten und nachhaltiges Vertrauen gewonnen werden. Daraus entsteht eine Balance – im Selbst und in den gestalteten Beziehungen: „building bridges – backing balance“. Legal Coaching arbeitet diese Ziele im Rahmen des Rechts heraus und gibt eine solide Basis für die eigene Gestaltung von persönlichen und rechtlichen Beziehungen.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Dr. Christine Heeg-Weimann finden Sie hier:

https://www.linkedin.com/in/dr-christine-heeg-weimann

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