Resilienz - Die Sache mit dem Krönchen

„Wie entscheidend ist Resilienz in diesen stürmischen Zeiten?“

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Resilienz . Innere Widerstandskraft und die Sache mit dem Krönchen

„Wie entscheidend ist Resilienz in diesen stürmischen Zeiten?“

Das Coaching Software Portal clevermemo.com hat dazu eingeladen, diese Frage in Blogbeiträgen zu diskutieren. Sehr gern nehme ich die Einladung an und möchte in diesem Beitrag meine persönliche Sichtweise und einige eigene Erfahrungen zum wichtigen Thema Resilienz teilen.
„Hinfallen, aufstehen, Krönchen richten, weitergehen.“

So lässt sich der Begriff der Resilienz kurz und postkartentauglich auf den Punkt bringen. Soll heißen: Nach einem Missgeschick, einer Niederlage oder einer schmerzlichen Erfahrung gleich welcher Art nicht lange lamentieren; sondern aufstehen, Schmerzen und Scherbenhaufen hinter sich lassen, sich selbst, sein Äußeres und vielmehr noch sein Inneres wieder zurechtruckeln - „das Krönchen richten“ - und das das Leben geht weiter, im aufrechten Gang und mit dem Blick geradeaus in Richtung Zukunft.
Resilienz, das heißt, um es mit einem alten Sprichwort zu sagen: „nicht über vergossene Milch weinen“, sich nicht unnötig an Vergangenem aufhalten, das nicht mehr zu ändern ist, sondern nach vorn sehen und konstruktiv gestalten, was vor uns liegt.

Klingt vielleicht etwas zu einfach - doch steckt viel mehr dahinter als nur ein cooler Spruch, der sich so leicht dahinsagt.

Bekannte Namen wie Viktor Frankl oder der Franzose Boris Cyrulnik stehen exemplarisch mit ihren eigenen Biographien für das Konzept der Resilienz.
Beiden Männern ist es gelungen, trotz schwerster Erfahrungen und Verluste unter dem NS-Regime nicht am erlittenen Leid zu zerbrechen, sondern es zu integrieren und als Erwachsene ein glückliches und sinnerfülltes Leben zu führen.

Jeder Moment ist die Chance für einen neuen Anfang. Was gewesen ist, ist vorbei. An uns selbst liegt es, was wir aus dem machen, was vor uns liegt.

Der Begriff der Resilienz leitet sich vom lateinischen Wort resilire ab, was soviel bedeutet wie zurückspringen oder abprallen.

In der Materialkunde wird Resilienz für Stoffe benutzt, die nach starker Verformung wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren.
Einen Menschen bezeichnet man als resilient, wenn er auch unter schwierigen Bedingungen psychisch widerstandsfähig bleibt, es also schafft, trotz Stress bis hin zu schweren traumatischen Erlebnissen sich wieder aufzurichten und sein Leben psychisch stark und stabil weiterzuführen. Dabei geht es gerade nicht um innere Härte, sondern, ähnlich wie beim Gummi, um eine hohe Belastbarkeit, die sich aus einer Elastizität ergibt, also aus Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

In seinem Buch „Rette dich, das Leben ruft!“ schreibt der Psychiater Boris Cyrulnik:
„Wenn Sie glücklich sein wollen, dürfen Sie nicht um jeden Preis dem Unglück ausweichen. Eher sollte man danach suchen, wie man es meistern kann.“ (1)

Das ist der Kern, um den es bei der Resilienz geht. Anders als krankheitsorientierte Methoden in der Medizin, konzentriert sich die Resilienzforschung auf die entgegengesetzte Sichtweise, die von Aaron Antonovsky so benannte Salutogenese, in deren Zentrum die Gesundheit steht.
Antonovsky entwickelte in den 1980er Jahren das Konzept der Kohärenz. Als Kohärenzsinn wird die Fähigkeit bezeichnet, traumatische Erfahrungen gedanklich einordnen und verarbeiten zu können. Sie wird im Jugend- und jungen Erwachsenenalter gebildet und bleibt ein Leben lang stabil.  (2)
Drei Aspekte sind dabei zentral:

  • das Vertrauen, dass alles, was geschieht, vorhersagbar und erklärbar ist;
  • das Vorhandensein eigener Ressourcen, um die Anforderungen des Lebens zu meistern;
  • und die Überzeugung, dass die zu bewältigenden Anforderungen Herausforderungen sind, die Engagement und Mühe wert sind.

„Wie entscheidend ist Resilienz in diesen stürmischen Zeiten?“

Die Antwort ist: Sehr. Resilienz ist die Basis, auf der neues Wachstum entstehen kann.

Die Frage, ob jemand in der Lage ist, kleinere oder größere Einschläge, Rückschläge, Niederlagen und Bauchlandungen einzustecken und - darauf kommt es an - positiv für sich umzumünzen, um für die Zukunft daran zu wachsen, entscheidet alles: Resilienzfähigkeit  ist das Zünglein an der Waage, und zwar im privaten Bereich ebenso wie auf professioneller Ebene. Sie entscheidet, ob jemand in der Vergangenheit stecken bleibt oder ob er das Vergangene abhakt und sich konstruktiv in Richtung Zukunft orientiert - und zwar ohne das Erlebte zu ignorieren, sondern indem er sich die erlittenen Erfahrungen zunutze macht, versucht, einen Sinn darin zu erkennen und sie so in seinen Erfahrungsschatz (sic!) integriert, um zukünftig davon zu profitieren.  
Nicht selten wird Resilienz heute bereits als soft skill in Stellenausschreibungen großer Wirtschaftsunternehmen vorausgesetzt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass ein lösungsorientiertes Vorwärtsdenken sowohl dem Einzelnen dient als auch in großen Strukturen oder ganzen Gesellschaften positive Energien freisetzen kann, die die Akteure in Richtung Ziel führen.

Woraus schöpfen wir unsere Fähigkeit zur Resilienz? El Niño und die Enten im Badesee

Untersuchungen haben ergeben, dass Resilienz teilweise angeboren, teilweise aber auch erlernbar ist.
Ich selbst ziehe die Grundlagen meiner eigenen Resilienz vor allem aus der Natur.
Ein schönes Bild dafür schwimmt mir allmorgendlich vor Augen: die Enten und Schwäne im See, in dem ich jeden Morgen meine Runde drehe, bevor der Tag mit seinen Verpflichtungen startet.
Die Fettschicht, mit der die Wasservögel ihre Federn bedecken, lässt das Wasser abperlen und schützt sie vor dem Auskühlen. Die durch den Abperleffekt erzielte Widerstandsfähigkeit ist eine natürliche Form der Resilienz.
Man muss nur die Augen öffnen und seine Umwelt aufmerksam wahrnehmen, um zu sehen, wie die Natur uns Menschen an allen Ecken ihre enorme Resilienzfähigkeit präsentiert:
Das Erwachen des Frühlings nach dem Winter, überall Knospen und zartes Grün, wo noch vor wenigen Wochen nur knorriges Braun und Grau zu sehen war. Risse im Asphalt, wo ein trotziger Löwenzahn sich seinen Weg ans Sonnenlicht sucht. Wiederergrünen ganzer Regionen, nachdem verheerende Waldbrände dort gewütet und scheinbar alles auf ewig zerstört haben.
„Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört.“ - Resilienz par excellence!
Sogar Korallenriffe können sich in erstaunlichem Ausmaß selbst regenerieren. Im Jahr 2015 fegte einer der drei schlimmsten je beobachteten El Nino-Ströme über die Korallenriffe der pazifischen Insellinien und zerstörte die Hälfte von ihnen. Sechs Jahre später blühten die Korallenriffe dort wieder, mit mehr als 43 Millionen Kolonien pro Quadratkilometer. (3)(4)

Auch aus den japanischen Konzepten des Kintsugi und Wabisabi können wir viel lernen. Kintsugi ist die Kunst, Zerbrochenes wieder zusammenzufügen und die Bruchstellen zu vergolden, Narben zu verschönern und so in einem Bruch die Chance für Weiterentwicklung und Wachstum zu sehen.
Beim Wabisabi geht es um das Rohe und Unperfekte. Anders als in unserer westlichen Kultur, die die Schönheit in Perfektion und Fehlerfreiheit sieht, erlaubt das Konzept des Wabisabi den Menschen, eine größere Offenheit und Akzeptanz gegenüber der Schönheit von Fehlern und Rohheit und gibt ihnen die Möglichkeit, diese wertschätzend anzunehmen. (5)

Immer geht es hier auch um die Fähigkeit und Bereitschaft, sich auf neue, geänderte Bedingungen einzulassen und daran anzupassen: Wenn nicht Plan A, dann Plan B. Und wenn nicht B, dann C.

Zum Abschluss noch einer meiner Lieblings-Mutmachersprüche. Vier Worte, die mir helfen, wenn ich etwas Schweres vor mir habe, etwas, das mir unüberwindbar erscheint, aber doch unabwendbar ist:  „Morgen ist heute gestern“
Diese Worte bilden sozusagen die Klammer um das „Augen zu und durch!“.  Sie führen mir vor Augen, dass alles ganz bald schon hinter mir liegen wird. So relativieren sich Dinge. Der riesige Berg, der heute noch vor mir liegt, wird - so oder so - schon morgen überwunden sein. Ich werde dieselbe sein wie zuvor. Und das Leben geht weiter! :)

Quellen

  1. Boris Cyrulnik „Rette dich, das Leben ruft!“, Ullstein Verlag 2013
  2. Stallmach, L. (2016). Was Resilienz ausmacht. www.nzz.ch/wissenschaft/medizin/traumatisiert-und-dann-was-resilienz-ausmacht-ld.84962 Neue Zürcher Zeitung, 27.05. Zugegriffen: 29. November 2019.
  3. Matthias Horx, www.horx.com/die-zukunfts-kolumne
  4. (National Geographic www.nationalgeographic.com/magazine/article/once-devastated-these-pacific-reefs-have-seen-an-amazing-rebirth-feature
  5. www.kyoto-ryokan-sakura.com/archives/posts_de/214

Coaching-Einheit

Zurück in die Zukunft - Aufstehen, Krönchen richten und weiter geht’s!

Der Königsweg zu mehr Zuversicht nach einem erlebten Tief führt über die Vergangenheit.
Denn: Nur wer weiß, was falsch gelaufen ist, hat eine Chance, nicht wieder in die gleiche Falle zu tappen. Das ist gerade dann wichtig, wenn der Grund nicht bei Ihnen selbst liegt. Das braucht seine Zeit, ist aber Teil der Verarbeitung.

Danach ist es Zeit, mit Zuversicht nach vorn zu schauen. Es geht darum, für sich einen Sinn im Weitermachen zu entdecken, um nicht dauerhaft an der Kerbe der Vergangenheit zu leiden.

Schreiben Sie auf ein Blatt Papier, was zur Zeit gut läuft.
Und auf ein anderes Blatt Papier schreiben Sie, was Ihrer Meinung besser sein müsste.
Wichtig: Nicht nur denken, sondern schreiben - nur so zwingen Sie sich dazu, sich wirklich mit den Dingen auseinanderzusetzen.

Zuerst kümmern Sie sich nun um die Negativliste. Gehen Sie Ihre Liste Punkt für Punkt durch und fragen Sie sich, warum Sie diese Dinge tun – obwohl sie Ihnen keine Freude bereiten. Streichen Sie alles, was nicht wirklich notwendig ist. Beschäftigen Sie sich mit Ihren Erwartungen, nicht mit denen anderer. Mit den vermeidbaren „Ärgernissen“ kommen Sie so einen erheblichen Schritt weiter.

Danach malen Sie sich die Zukunft rosa.
Stellen Sie sich ein paar einfache Fragen und schreiben Sie die Antworten auf:

  • Mit wem würden Sie am liebsten Ihre Zeit verbringen?
  • Und wie würden Sie Ihre Zeit verbringen wollen? Welche Arbeit oder welche Hobbies würden Ihnen Spaß machen?
  • Wofür möchten Sie sich engagieren und was möchten Sie lernen?

Schreiben Sie auch auf, was Sie sich sonst noch wünschen.

Danach entwickeln Sie einen Aktionsplan, wie Sie diese Wünsche in die Realität umsetzen wollen. Starten Sie mit dem größten und wichtigsten Ziel Ihrer Liste und entwickeln Sie den Plan vom Ende her, Schritt für Schritt zurück bis heute.

Ein Aktionsplan hat den großen Vorteil, dass die einzelnen Schritte messbar sind. So haben Sie die Möglichkeit, notwendige Anpassungen und Korrekturen vorzunehmen.
Überprüfen Sie Ihre Ziele regelmäßig – jeden Tag, jede Woche und jeden Monat.
Achten Sie darauf, dass Sie auf Kurs bleiben und weiterhin auf Ihre Ziele zuarbeiten, aber bleiben Sie flexibel. Auch wenn das Ziel immer das gleiche bleibt, ergeben sich mitunter neue Ansätze, den nächsten Schritt auf dem Weg zu erreichen.
Schlüpfen Sie unter einen Schirm, der Unvermeidbares wie Regen abprallen lässt.
Fragen Sie sich auch regelmäßig, warum Sie dieses Ziel erreichen wollen. Welche Vorteile ziehen Sie daraus? Schreiben Sie alles auf, was Ihnen dazu einfällt, und schauen Sie sich diese Liste immer wieder an, wenn Sie das Gefühl haben, es geht nicht vorwärts. Das hilft sehr, sich selbst in schlechteren Phasen zu motivieren.
Erfolg hat viel mit Durchhalten zu tun. Erfolgreiche Menschen sind beharrlich und haben gelernt, mit den Hochs und Tiefs des Lebens umzugehen. Und sich mit Realitäten zu arrangieren.