CLP Interviewreihe: Linda Nockelmann
Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Linda Nockelmann, Rechtsanwältin, Wirtschaftsmediatorin sowie Legal Coach berichtet darüber im Interview bei CLP.
Aktuell ist Linda Nockelmann als Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin in der von ihren Eltern gegründeten Kanzlei in Dortmund tätig. Nach spannenden Jahren als Inhouse- Juristin in der Automobilindustrie und in der Lebensmittelbranche ist sie den Schritt ins „Anwaltsleben“ gegangen und bringt dort die Erfahrungen aus beiden Welten zusammen. Ihre Schwerpunkte liegen im nationalen und internationalen Wirtschaftsrecht, ganz überwiegend berät sie Unternehmen verschiedenster Branchen im Bereich der Gestaltung und Verhandlung von (oft grenzüberschreitenden) Verträgen, in handels- und gesellschaftsrechtlichen Fragen sowie bei der Lösung von Konflikten, die aus verschiedensten Gründen nach Möglichkeit nicht vor Gericht gehen sollen oder können. Da sie dieser Aspekt schon immer besonders interessiert, ist sie auch im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung unterwegs und hat Ausbildungen zur Wirtschaftsmediatorin sowie ganz aktuell zum Legal Coach absolviert. Sie begleitet ihre Mandanten als Anwältin z.B. in Verhandlungen zur Konfliktlösung sowie in Schieds- und Mediationsverfahren, ist aber auch selbst als Mediatorin und Schiedsrichterin in Schiedsverfahren aktiv.
Privat lebt sie mit ihrer Familie und ihrem Pferd in Leverkusen und ist seit ihrem fünften Lebensjahr überzeugtes „Pferdemädchen“ – weshalb sie sich auch in 2022 einen persönlichen Wunsch erfüllt und eine Ausbildung zur ganzheitlichen Pferdetrainerin gemacht hat. Wenn sie nicht in der Kanzlei oder am Pferdestall zu finden ist, engagiert sie sich bei den Wirtschaftsjunioren oder im FORUM Junge Anwaltschaft des DAV.
1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?
Mit Coaching bin ich zum ersten Mal in meiner Zeit als Inhouse-Juristin in der Automobilbranche in Berührung gekommen. In meiner Rolle in der Rechtsabteilung war ich oft an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Abteilungen und Themen tätig, sodass viel Kommunikation, Abstimmung und eben zum Teil auch das Vermitteln zwischen verschiedenen Positionen gefragt war. In dem Kontext bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mich im Bereich Kommunikation und Umgang mit Konflikten weiterbilden möchte. Ich hatte mir deshalb überlegt, eine Mediationsausbildung zu machen, bin aber zeitgleich auch schon auf das Thema Coaching aufmerksam geworden. Letztlich habe ich dann – bedingt durch einen Jobwechsel erst etwas später – beides nacheinander in Angriff genommen.
Am Coaching hat mich von Anfang an die Idee begeistert, dass man als Coach an der Seite de Coachee steht und ihn bestmöglich unterstützt, allerdings (anders als in der Beratung) weder die Richtung noch das Ziel vorgibt. Was also „richtig“ oder „falsch“ ist und wo die Reise hingehen soll, bestimmt derjenige, der es als Experte für sein Leben am allerbesten beurteilen kann und der am Ende auch mit seinen Entscheidungen leben muss – der Coachee. Dass man jemanden in der Erreichung seiner Ziele oder auf dem Weg durch eine Entwicklung gezielt unterstützen kann, ohne ihn zu beeinflussen oder ihm die Eigenverantwortung zu nehmen, fand und finde ich bis heute faszinierend.
2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?
Mir war es wichtig, eine fundierte Ausbildung zu machen und insbesondere zu dem, was ich schon in der Mediationsausbildung gelernt hatte, weitere Perspektiven hinzuzugewinnen. Deshalb habe ich in der Ausbildung besonders darauf geachtet, die passende Haltung anzunehmen und zu lernen. Denn anders als in der Mediatoren-Rolle muss ich als Coach nicht neutral und allparteilich sein, sondern kann und darf auf der Seite des Coachee stehen – ohne aber dem Coachee meine persönliche Meinung aufzudrücken oder für ein Ergebnis verantwortlich zu sein.
Dementsprechend habe ich auch darauf geachtet, dass ich in der Ausbildung nicht nur die Tools und Techniken lerne, die ich brauche, sondern ein gutes Gefühl dafür bekomme, wann ich was anwenden kann und wann es vielleicht auch mal Sinn ergibt, den Methodenkoffer für einen Moment geschlossen zu halten und sich auf das zu konzentrieren, was der Coachee braucht.
3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?
Die Ausbildung hat dazu beigetragen, dass ich heute noch mehr und noch gezielter nachfrage, was meinen Mandanten wichtig ist und was sie erreichen möchten. Auch wenn oft die Erwartungshaltung herrscht, dass „schnell etwas passieren muss“ oder dass ich als Anwältin sowieso am besten weiß, was zu tun ist, kann ich viel zielgerichteter und effektiver arbeiten (und damit eben auch schneller „das Richtige“ tun), wenn ich vorher sauber mit dem Mandanten erarbeitet habe, worum es geht und in welche Richtung die Reise geht. Die allermeisten Fälle – egal wie eilig – erlauben zumindest ein kurzes Gespräch in diese Richtung, bevor Aktionen gestartet werden. Dasselbe gilt zwischendurch im Verlauf des Mandats, wenn es um die Frage geht, in welche Richtung man an der nächsten Weggabelung abbiegt. Letztlich sind nach meiner Erfahrung sowohl das Ergebnis als auch die Zufriedenheit auf beiden Seiten (beim Mandanten wie auch bei mir) erheblich besser, wenn man sich hier und da mal eine halbe Stunde Zeit für die grundsätzlichen Themen nimmt.
Als eine Art „Nebeneffekt“ der Ausbildung habe ich außerdem die Erfahrung gemacht, dass es Mandanten und Kollegen positiv auffällt, wenn man (bewusst oder unbewusst) auch vollkommen außerhalb einer Coaching-Situation bestimmte Gesprächs- oder Fragetechniken nutzt und dadurch das Gespräch strukturiert, z.B. bei Verhandlungen oder in Verfahren, die man führt.
4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?
Da ich mit dem Einsatz von Coaching im beruflichen Kontext noch eher am Anfang stehe, verwende ich es aktuell hauptsächlich, um Mandanten punktuell zu unterstützen, wenn nicht ganz einfache Entscheidungen anstehen oder wenn ich das Gefühl habe, dass der Kern des Themas noch nicht getroffen ist (der berühmte rosa Elefant also noch irgendwo im Raum steht).
Dort, wo ich Mandanten ohnehin von rechtlicher Seite in Verhandlungs- oder Konfliktsituationen begleite, lassen sich Elemente aus dem Coaching wunderbar nutzen, um Verhandlungen oder sonstige wichtige Gespräche vor- und nachzubereiten. Auch während eines Verhandlungsprozesses kann ich so meine Mandanten nicht nur juristisch zu unterstützen, sondern auch Ziele und Strategien erarbeiten, die über das rein juristische hinausgehen und sich an dem messen, was für den Mandanten wirklich von Bedeutung ist (in der Regel sind das ja nur sehr am Rande die juristischen Punkte). Diese Einbeziehung von Coaching im Rahmen von Verhandlungen und/oder Konfliktlösungsprozessen plane ich, weiter zu intensivieren, denn die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass man dadurch erheblichen Mehrwert generieren kann.
5. Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?
Ich bin inzwischen – nach den beiden Ausbildungen zur Mediatorin und zum Coach – der festen Überzeugung, dass Kompetenzen im Bereich der Kommunikation in der juristischen Ausbildung eine erheblich größere Rolle spielen dürfen und dass es für Juristen unerlässlich ist, sich mit solchen Themen zu befassen.
Reines Wissen wird in der heutigen Zeit immer mehr und immer einfacher verfügbar, insofern wird die Rolle des Juristen immer mehr die, aus der Rechtsanwendung heraus individuelle praktische und taktische Unterstützung zu leisten – sei es im Rahmen der Gestaltung von Verträgen, Kooperationen etc. oder auch im Rahmen des Managements von auftretenden Konflikten. Das zu erlernen lässt sich gut mit einer Coachingausbildung verbinden, ist aber natürlich auch in anderen Formaten möglich. Hier sollte jeder den Weg wählen, über den er/sie den besten Zugang hat.
Coaching ist aus meiner Sicht eine gute Ergänzung zur klassischen juristischen Beratung, denn diese erfordert im Grundsatz ja auch, dass man sich im Detail damit beschäftigt, was für denjenigen, den man berät, richtig und passend ist. Insofern lohnt es sich für Juristen allemal, sich mit Coaching zu beschäftigen. Nach meinem Eindruck geschieht das auch mehr und mehr, was ich für eine absolut positive Tendenz halte – es gibt zwar immer noch Konstellationen, in denen man erst einmal erklären muss, was Coaching ist und warum man sich als Juristin damit beschäftigt, aber erfreulich oft bekommt man auch sehr positive Reaktionen, die zeigen, dass Coaching zunehmend wahrgenommen und als sinnvolles Tool im juristischen Kontext angesehen wird.
Ihr persönliches Fazit:
Ich bin sehr froh, über das Coaching eine weitere Perspektive gewonnen zu haben, die mir hilft, Menschen umfassend zu unterstützen und mit ihnen Wege zu erarbeiten, die zu ihren jeweiligen Bedürfnissen und Zielen passen. Dass sich das mit einer guten Rechtsberatung nicht „beißt“, sondern sogar bestens ergänzt, finde ich großartig – so macht mir mein Beruf noch mehr Freude.
Vielen herzlichen Dank.
Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!
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