CLP Interviewreihe Legal Coaches: Klarissa Rother

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Klarissa Rother, Anwältin und Resilienz Coach und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Klarissa Rother ist Juristin mit einem Faible für alles Digitale. Nach über zehn Jahren als Anwältin in der Forschung und in internationalen Konzernen arbeitet sie heute selbstständig – als Rechtsanwältin, Yogalehrerin im Bereich Firmenfitness & Wellbeing und Coach für Mitarbeiter:innen und Führungskräfte mit Fokus auf Resilienz.

Sie lebt in Bayern – wenn sie nicht gerade unterwegs ist, oft auch zurück in Edinburgh, ihrer zweiten Alma Mater, wo sie ihren LL.M. in Innovation, Technology and the Law absolviert hat.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Meine erste bewusste Begegnung mit Coaching hatte ich im Referendariat – bei einem Seminar zum Verhandlungsmanagement. Schon damals wurde mir klar, dass juristisches Fachwissen allein nicht reicht, um komplexe zwischenmenschliche Prozesse – wie etwa Verhandlungen – erfolgreich zu gestalten.

Später, als Unternehmensjuristin, war Coaching fester Bestandteil verschiedener Leadership-Programme, die ich durchlaufen habe – diesmal aus der Coachee-Perspektive. Ich habe erlebt, wie sehr Coaching dabei unterstützen kann, Veränderungen anzustoßen, Verantwortung besser zu tragen oder Teams mit mehr Klarheit und Empathie zu führen.

Der Wendepunkt kam jedoch durch meine Yogalehrerausbildung. Was ursprünglich als Ausgleich zum fordernden Berufsalltag gedacht war, wurde zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Achtsamkeit, Atemtechniken, Selbstführung und Wertearbeit. Diese Erfahrungen haben mich darin bestärkt, mich auch in der Resilienzarbeit weiterzubilden.

Wir sind Teil einer Berufswelt, die sich rasant verändert und in der wir permanent zwischen virtuellen Meetings, Social Media, Entscheidungsdruck und Multitasking pendeln. Da braucht es neue Kompetenzen – nicht nur für Führungskräfte, sondern für uns alle. Coaching wurde für mich dabei zum verbindenden Element: zwischen Leistung und Menschlichkeit, zwischen Verantwortung und Selbstfürsorge.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Für mich war es besonders wichtig, mehr als nur einen Methodenkoffer zu erlernen. Natürlich sind Techniken und Tools hilfreich – aber im Mittelpunkt stand für mich immer die innere Haltung: echtes Interesse, Empathie, Klarheit und Präsenz.

Coaching hat viele Dimensionen und Zugänge. Neben meiner Ausbildung lese ich regelmäßig Fachliteratur und setze mich mit unterschiedlichen Ansätzen auseinander – von Dr. Joe Dispenza bis hin zur Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). Elemente daraus fließen gezielt in meine Arbeit ein. Besonders inspirierend finde ich dabei die Vielfalt an Konzepten aus dem englischsprachigen Raum – viele fundierte Modelle und Erfahrungswerte werden dort mit großer Offenheit und Praxisbezug angewendet.

Wichtig war mir außerdem, dass Coaching im beruflichen Alltag wirkt – etwa in Verhandlungen, Konflikten oder Führungssituationen.

Kurz gesagt: Für mich ist Coaching eine Haltung – aber auch ein Handwerk, das man lernen, reflektieren und stetig weiterentwickeln sollte.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Coaching hat meine juristische Arbeit nicht grundsätzlich verändert – aber auf eine neue Ebene gehoben. Ich arbeite heute als Interimsjuristin für Unternehmen und begleite Gründer:innen. Gerade in Situationen mit viel Druck – etwa in Verhandlungen oder bei strategischen Entscheidungen – hilft mir Coaching, schneller zu erfassen, was wirklich gebraucht wird, und bewusster zu reagieren.

Auch in Workshops und Vorträgen merke ich, wie wertvoll Coaching-Kompetenzen sind: Ich kann Inhalte nicht nur vermitteln, sondern gleichzeitig auch den Raum aktiv gestalten, Teilnehmende abholen und Impulse setzen, die wirken. Coaching liefert mir dafür nicht nur hilfreiche Tools, sondern vor allem eine Haltung: präsent sein, zuhören, nicht vorschnell bewerten, sondern den richtigen Moment für Klarheit schaffen.

Ich war schon immer strukturiert und lösungsorientiert – das ist mein juristisches Fundament. Was sich durch Coaching verändert hat, ist mein Umgang mit Menschen: Heute kann ich viel differenzierter auf mein Gegenüber eingehen, gezielter reflektieren und dadurch oft ganz andere Gesprächsdynamiken ermöglichen. Ich nehme bewusster wahr, was zwischen den Zeilen passiert – und kann dadurch präziser, aber auch verbindlicher agieren.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Coaching ist zu einem gewissen Grad ein integraler Bestandteil all meiner beruflichen Tätigkeiten. Ob juristisch, im Bereich Wellbeing oder in der Führungskräfteentwicklung: Coachingelemente fließen immer mit ein, auch wenn nicht explizit Coaching draufsteht.

Was meine beruflichen Bereiche verbindet, ist mein Ziel, Unternehmen und Menschen in Veränderungsprozessen zu unterstützen – sei es durch rechtliche Struktur, durch mentale Stärke oder durch mehr Klarheit in der Rolle. Coaching hilft mir dabei, mit mehr Tiefe zu arbeiten: achtsamer zuzuhören, gezielter zu spiegeln, besser durch komplexe Situationen zu navigieren.

Es geht nicht um den einen „richtigen“ Einsatz – sondern darum, Coaching dort wirken zu lassen, wo es gebraucht wird. Und das ist oft genau zwischen den Zeilen.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Ich halte Coaching für eine zentrale Kompetenz der Zukunft – auch und gerade im juristischen Berufsfeld. Die Anforderungen an Jurist:innen haben sich stark verändert: Neben fachlicher Exzellenz braucht es heute viel mehr Klarheit in der Kommunikation, Selbstführung, Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit, mit Unsicherheit umzugehen.

Rückblickend hätte ich mir Coaching – und insbesondere auch Resilienztraining – schon in meiner juristischen Ausbildung gewünscht. Viele Herausforderungen, die später im Berufsalltag auftreten, beginnen bereits im Studium oder Referendariat: Leistungsdruck, Vergleich, Unsicherheit. Ich finde es deshalb ermutigend, dass es mittlerweile erste Ansätze gibt, Coaching-Elemente und mentale Gesundheit auch in juristischen Ausbildungswegen zu integrieren. Ein guter Start – und aus meiner Sicht längst überfällig.

Im Berufsalltag sehe ich Coaching als Werkzeug, Haltung und Reflexionsraum zugleich. Es hilft nicht nur, andere besser zu führen – sondern vor allem, sich selbst besser zu führen.

Ihr persönliches Fazit:

Ich wünsche mir, dass Coaching – genauso wie fachliche Weiterbildung – selbstverständlich zum Berufsweg dazugehört. Weil wir nicht nur Experten sind, sondern auch Menschen. Wer Verantwortung trägt – für sich, für andere oder für Entscheidungen – braucht auch Räume zur Reflexion. Coaching schafft genau das. Und deshalb gehört es für mich heute selbstverständlich dazu.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Klarissa Rother finden Sie hier:

Link:

www.rother-legal.de

auf LinkedIn