CLP Interviewreihe Legal Coaches: Heike Meinhardt
Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Heike Meinhardt, Rechtsanwältin, Mediatorin und (Legal) Coach im Interview bei CLP.
Heike Meinhardt ist Beraterin, Rechtsanwältin, Coach und Mediatorin. Bis 2023 war sie als Personalleiterin und Syndikusanwältin bei British Airways für die strategische Personalarbeit der internationalen Standorte verantwortlich. HR, Change, Arbeitsrecht und Coaching sind ihre beruflichen Leidenschaften – am liebstem mit internationalem Bezug.
Seit 2024 unterstützt sie mit ihrem Unternehmen „The change effect“ insbesondere KMUs bei Veränderungsprozessen, indem sie rechtliche Expertise mit fundiertem HR-Know-how und Coaching Tools verbindet.
Sie ist Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern (18 und 22) und lebt mit ihrem Mann im idyllischen Taunus. Kraft und Inspiration schöpft sie aus ihrer Leidenschaft für das Reisen, der italienischen Sprache und Schwimmen in allen Gewässern.
1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?
Mein Weg zum Coaching begann 2016 mit einer Mediationsausbildung. Damals führte ich bei British Airways zahlreiche Verhandlungen mit Gewerkschaften und Betriebsräten. Es war mir ein persönliches Anliegen, diese Gespräche lösungsorientierter zu gestalten. Die Ausbildung eröffnete mir neue Perspektiven zu gewaltfreier Kommunikation und dem Erarbeiten echter Win-Win-Lösungen.
2019 folgte dann meine Coaching-Ausbildung – ein echter Gamechanger, sowohl für mich persönlich als auch für meine Arbeit mit Führungskräften. Besonders faszinierend fand ich, wie der richtige Coaching-Ansatz verborgene Potenziale freilegen kann und wie sich dadurch meine Unterstützung als HR-Verantwortliche auf ein völlig neues Niveau heben ließ.
Meine Leidenschaft für das Thema führte mich 2023 zur Weiterbildung als Teamcoach und 2024 zur Mastercoach-Ausbildung an der Dr. Bock Coaching Akademie, die ich in Kürze abschließen werde.
2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?
Insbesondere auf die fundierte Ausbildung! Das bedeutet für mich: Klare Inhalte, erfahrene Lehrcoaches, Methodenvielfalt, viel Raum für Praxis, Feedback, mehr als 150 Stunden in Präsenz und Ethik, Werte und eine Haltung, die mir als Coach Vertrauen in die Ausbildung geben. Am Anfang habe ich viel recherchiert, weil mir die Erfahrung fehlte. Bei der Entscheidung bin ich dann aber meiner Intuition gefolgt – und habe sehr gute Erfahrungen gemacht.
3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?
Nach meiner Coaching-Ausbildung erhielt ich häufiger die Rückmeldung, dass ich klarer auftrete und als stärkere Persönlichkeit wahrgenommen werde. Dass ich den Dingen noch einmal gezielter auf den Grund gehe, die Menschen sich gesehen und verstanden fühlen. In Verhandlungssituationen konnte ich plötzlich tieferliegende Interessen und Bedürfnisse erkennen, die über die vordergründigen Positionen hinausgingen.
Obwohl ich schon immer an Menschen interessiert war, hat die Ausbildung meine Fähigkeit zu fragen und wirklich zuzuhören deutlich geschärft. Kollegen bemerkten, dass Gespräche mit mir produktiver wurden, da ich weniger Lösungen präsentierte, sondern diese gemeinsam entwickelte. In der Rechtsberatung half mir der Coaching-Ansatz, nicht nur rechtlich einwandfreie, sondern auch für alle Beteiligten praktikable und akzeptierte Lösungen zu finden.
4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?
Heute setze ich Coaching primär bei Team- oder Führungskräfteentwicklungen ein, die im Rahmen von Veränderungsprozessen angefragt werden. Oft beginnt die Zusammenarbeit mit einer klassischen Beratungsanfrage, häufig mit arbeitsrechtlichem Fokus. Im Laufe des Projekts wird dann deutlich, dass für eine nachhaltige Umsetzung auch ein Coaching sinnvoll ist.
Ein Beispiel: Bei einem mittelständischen Unternehmen sollte ich ursprünglich bei der rechtssicheren Umstrukturierung helfen, die aufgrund schnellen Wachstums notwendig war. Im Prozess zeigte sich, dass die neue Struktur nur funktionieren würde, wenn das Führungsteam seinen Kommunikationsstil verändert. Das anschließende Teamcoaching war der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg der Reorganisation.
Ich freue mich, dass ich mit meiner Kombination aus HR-Expertise, arbeitsrechtlichem Know-how und Coaching-Kompetenzen ganzheitliche Lösungen anbieten kann.
Mein Herz schlägt aber tatsächlich auch dafür, meine Erfahrungen mit dieser Kombination aus juristischer Ausbildung und Coaching weiterzugeben: ob im HR-Mentoring oder bei dem Thema Self- Leadership für Juristinnen.
5. Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?
Die Relevanz – sehr hoch! Ich finde es großartig, dass immer mehr Jurist:innen eine Coaching-Ausbildung absolvieren. Seien wir ehrlich: In unserem Studium lernen wir viel Analytisches – aber gezieltes Fragen, aktives Zuhören und das Freilegen von Entwicklungspotenzial? Diese essenziellen Fähigkeiten kommen definitiv zu kurz.
Gerade für Jurist:innen sind Coaching-Kompetenzen wie Empathie, lösungsorientiertes Denken und die Fähigkeit, hinter Positionen die eigentlichen Interessen zu erkennen, unschätzbar wertvoll. Sie helfen nicht nur bei der Mandantenberatung, sondern auch bei Verhandlungen, in der Prozessführung und im juristischen Projektmanagement.
Ich sehe die Tendenz, dass sich das juristische Berufsbild weiterentwickelt – weg vom reinen Rechtsexperten hin zum ganzheitlichen Berater. Eine Coaching-Ausbildung ist daher für jeden Juristen, unabhängig vom Tätigkeitsfeld, eine wertvolle Bereicherung.
Ihr persönliches Fazit:
Meine Reise vom klassischen Juristenberuf zum Coaching hat mir gezeigt, dass die Verbindung von rechtlicher Expertise mit menschenzentrierten Coaching-Kompetenzen eine besonders wertvolle Kombination darstellt. In einer Zeit, in der Unternehmen vor komplexen Transformationen stehen, braucht es mehr als nur rechtliches Know-how – es braucht ein tiefes Verständnis für Menschen und ihre Bedürfnisse in Veränderungsprozessen. Diese ganzheitliche Herangehensweise ermöglicht es mir, nicht nur juristisch fundierte, sondern auch nachhaltig wirksame Lösungen zu entwickeln.
Was mich besonders erfüllt: zu sehen, wie Menschen und Teams über sich hinauswachsen, wenn ich ihnen mit einer wertschätzenden Haltung und den passenden Fragen begegne.
Vielen herzlichen Dank.
Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!
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