CLP Interviewreihe Legal Coaches: Gunilla Grosse- von Kempski

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Gunilla Grosse- von Kempski, Rechtsanwältin, Systemische Coach und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Nel Killius

Gunilla Grosse- von Kempski ist seit 20 Jahren als Anwältin im gewerblichen Rechtsschutz tätig. Zusammen mit den Patent- und Rechtsanwälten von GSKH berät sie große und mittelständische Unternehmen rund um den Globus.
Nach dem 1. Staatsexamen hatte sie die Gelegenheit, zwei Jahre beim Europäischen Patentamt in Den Haag zu arbeiten. Die Zeit in diesem internationalen Umfeld hat ihre Leidenschaft für Kommunikation entfacht und nicht zuletzt dafür gesorgt, dass sie sich nun intensiv damit befasst.
Nach berufsbegleitender zwei-jähriger Weiterbildung zum zertifizierten Business Coach (DGSF zertifiziert,) gründetet sie 2024 ihr eigenes Coaching Business mit Spezialisierung auf Coaching von Anwältinnen und Anwälten in Führungsrollen.
Ihren Fokus legt sie auf das Sich-bewusst-machen von unterschiedlichen Führungsoptionen, mit dem Ziel, einen zeitgemäßen und authentischen Führungsstil mit dem Klienten zu entwickeln um das Unternehmen als Ganzes wettbewerbsfähig zu halten.
Gunilla Grosse- von Kempski lebt mit ihrem Mann und ihren 2 Kindern in München.

1. Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?
Was braucht man für Coaching? 

Man braucht einen Pain, einen unlösbaren Knoten…Und den habe ich verspürt als ich nach kurzer Elternzeit wieder in meinen Beruf eingestiegen bin und festgestellt habe, dass das Feuer von der Vollzeitjuristin bei der Halbtagsanwältin nur noch halb so stark brannte. Aber warum? Und wieso war ich nicht in der Lage, es wieder zu entfachen? Ein Coach hat mich bei der Erkenntnis unterstützt, dass ich Neues lernen und mich anderweitig einbringen will, dabei aber das Bekannte weiterhin nutzen darf. Von da an habe ich in der Kanzlei zusätzlich zu meiner rechtlichen Tätigkeit die Verantwortung für Kommunikation und Marketing übernommen und mich in diesem Bereich weitergebildet.
Die Erfahrung, dass mir jemand zuhört, ohne zu werten und ohne Ratschläge zu erteilen, das war für mich neu. Beeindruckend fand ich, dass ich die Lösung zu meinem Thema selbst erarbeitet habe aber ohne Coach vermutlich nicht den Mut gehabt hätte, die Veränderung umzusetzen.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Mir war von Anfang an klar, wer meine Zielgruppe sein wird: Anwältinnen und Anwälte. Wichtig war also, dass die Weiterbildung zum Systemischen Coach mit einer anerkannten Zertifizierung abschließt. Zudem bin ich kein Freund von halben Sachen und habe gerne fundierte Kenntnisse von dem, was ich tue. Beim Erlernen von Coaching war es für mich besonders hilfreich, sämtliche Theorie als Coachee selbst praktisch erfahren zu haben.
Durch den systemischen Ansatz bekommt ein Coaching für mich erst die erforderliche Tiefe. Somit kam für mich nur eine Weiterbildung zum Systemischen Coach in Betracht.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Größter Gamechanger in der juristischen Arbeit war meine neu erlernte Art des Zuhörens. Hören und Zuhören sind zwei elementar unterschiedliche Dinge. Beim Zuhören geht es auch um Wertschätzung, die im juristischen Alltag oft zu kurz kommt. Wenn mein Gegenüber merkt, dass es nicht um jedes Wort kämpfen muss, führt das dazu, dass auch ich ausreden kann.
Wenn ich meine eigenen Gedanken ausschalte, während eine andere Person mit mir spricht und ich mich nur auf das Gesagte fokussiere, kann ich viel gezielter antworten. Sehr simpel und sehr effektiv.
Das führt bei Kolleginnen und Kollegen erstmal zu Irritation. Schließlich ist man in der Branche gewöhnt, sich schon das nächste Gegenargument zu überlegen, während der andere noch dabei ist, seine Sichtweise zu erläutern. Am Ende strahlt richtiges Zuhören aber eine überzeugende Gelassenheit aus und hat Potential, nachgeahmt zu werden.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Mein Coaching-Angebot richtet sich an Unternehmerinnen und Unternehmer der Anwaltsbranche. Wenn sie erkennen, dass sie eine Verantwortung haben, die über fachliche Kompetenz hinausgeht, entsteht eine Wahrnehmung für das Wesentliche im Miteinander von Menschen. Es geht um bewusste Führung in einer sich rasant ändernden Arbeitswelt. Es geht darum, zu realisieren, dass Führung ein relevanter Faktor für die Wahl und das Verbleiben in einem Unternehmen ist. Es geht um gegenseitige Erwartungen und um den Sinn einer Tätigkeit.
Und dann geht es ganz individuell um die Anliegen meiner Klient:innen in ihrem Unternehmen und um ihre persönliche Weiterentwicklung. Coaching ist für mich die Befähigung anderer, selbstwirksam zu sein.

5. Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coaching-ausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie Entwicklungstendenzen wahr?

Die meisten Menschen unterschätzen sich massiv, wenn es um ihr eigenes Entwicklungspotential geht. Die Juristen bilden da sicherlich keine Ausnahme. Die Relevanz von Coaching im juristischen Bereich kann also nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Sich persönlich weiterzuentwickeln, erfordert Mut und den Willen zur Veränderung. Ich beobachte, dass ganz allmählich diese Überzeugungen auch bei Juristen leisen Anklang finden. Das bestätigt mich in meinem Tun und in meiner Vision, Führungsbewusstsein im Anwaltsbereich als „common sense“ zu verstehen.

Ihr persönliches Fazit:

Statt meinem Fazit stelle ich eine Frage an alle Anwält:innen mit Unternehmensverantwortung und freue mich über eine ehrliche Antwort: 

„Welche Ihrer Führungskompetenzen halten Sie selbst für so perfekt, dass Sie sie auf keinen Fall durch Coaching verbessern möchten?“

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

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