CLP Interviewreihe Legal Coaches: Dr. Natascha Ziemek

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Natascha Ziemek, Notarin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Mediatorin, Konflikt Coach und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Mein Name ist Dr. Natascha Ziemek. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. In Hannover bin ich als Fachanwältin für Arbeitsrecht und Notarin tätig. Als Anwältin war es mir früh wichtig, mich zu spezialisieren, obwohl das damals insbesondere für die Kanzlei, in der ich angestellt war, eher ein abwegiges Konzept war. Dort bestand das Anwaltsleben aus Prozessen bei allen Gerichten und in allen Rechtsgebieten. Also habe ich den Fachanwaltskurs Arbeitsrecht gemacht und nach drei Jahren gekündigt, um mich mit dem Ziel, nur noch Arbeitsrecht zu machen, selbständig zu machen. Ich wollte anders arbeiten, da ich schnell gemerkt habe, dass es in der Regel nur am Rande um echte Rechtsfragen geht, sondern eher um die Frage, wie man die Arbeitsbeziehung vernünftig auflöst oder sogar fortführt. Zeitnah habe ich mich für eine Mediationsausbildung entschieden, die mir sehr viel über Konflikte, Kommunikation in Konflikten und Lösung von Konflikten vermittelt hat. Ich habe für mich gemerkt, dass ich eher lösungsorientiert arbeite, aber dennoch gern Parteienvertreterin bin, also weniger Mediatorin. Aus diesem Grund habe ich mich dann entschieden, eine Business Coaching Ausbildung bei der Zentralen Einrichtung für Weiterbildung der Leibniz Universität Hannover zu machen, was mich nicht nur beruflich, sondern auch persönlich sehr geprägt hat. Ich bin mittlerweile nur noch sehr selten bei Gericht, weil ich die Angelegenheiten vorher löse. Meine Mandanten bestehen überwiegend aus Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die sehr schätzen, dass ich nicht nur rechtlich berate, sondern die Lösung auch auf anderen Wegen suche.

Die Kommunikationstechniken und das Verständnis über menschliches Verhalten helfen mir auch als Notarin weiter, da ich auch z.B. im Erbrecht oder Familienrecht, aber auch im Gesellschaftsrecht immer wieder Situationen habe, in denen Menschen nicht nur das Bedürfnis haben, einen Rechtsrat zu bekommen, sondern auch dankbar für die Unterstützung im menschlichen Bereich sind.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Da aus meiner Sicht Arbeitsrecht immer mit menschlichen Beziehungen zu tun hat, habe ich bereits frühzeitig festgestellt, dass es nicht nur um Rechtsprobleme geht und eine Mediationsausbildung gemacht. Dabei habe ich bereits viel über menschliches Verhalten und Kommunikation gelernt. Ich habe aber festgestellt, dass ich als Fachanwältin im Arbeitsrecht lieber Lösungen suche und diese in der Regel nicht im Rechtlichen zu finden sind, sondern in der zugrundeliegenden Arbeitsbeziehung. In solchen Beziehungen sind in der Regel viele Dinge auch im menschlichen Verhalten und der Kommunikation falsch gelaufen bevor eine Arbeitsrechtlerin konsultiert wird. Die Möglichkeit in dieser Situation der eigenen Partei dadurch weiterzuhelfen, dass ich mit der Person sowohl das eigene als auch das Verhalten der GegnerInnen mit Coachingtechniken reflektieren kann, um dadurch einen Weg zu einer Lösung zu finden, habe ich schon immer genutzt. Insoweit wollte ich die Skills professionalisieren und habe dann im Jahr 2014 die Weiterbildung „Business Coaching für Fach- und Führungskräfte“ an der ZEW der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen.

Mich fasziniert zum einen, was man bei der Ausbildung über sich selbst lernt als auch die Möglichkeiten, die sich für eine Konfliktlösung eröffnen.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Zum einen war mir wichtig, die Wirkung von Coaching selbst zu erfahren, was in der einjährigen Ausbildung sehr gut möglich war. Zum anderen habe ich dabei festgestellt, wie tiefgehend manche Techniken sind und dass ich klar differenzieren muss, wo ein Coaching möglich ist. Wenn eine Person gesundheitliche psychische Probleme hat, muss ich das erkennen können, denn dann kann ein Coaching die Probleme verstärken. Aus diesem Grund habe ich danach für mich zur Abgrenzung die Ausbildung zur Heilpraktikerin Psychotherapie gemacht. Eine Prüfung habe ich nicht abgelegt, mir war einfach das zusätzliche Wissen zur Abgrenzung wichtig.

Zudem war mir aufgefallen, dass Coaching nur dann funktioniert, wenn der/die Coachee mir vertraut. Insoweit sehe ich Inhouse-Coaching von ArbeitgeberInnen durch Mitarbeitende zur Regelung von Personalangelegenheiten kritisch. Der/Die Coach muss unabhängig sein und darf keine Interessenkollision haben.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Meine juristische Tätigkeit war schon immer durch „Coaching“ geprägt, mir selbst war das jedoch nicht klar. Ich habe aber nunmehr darauf geachtet, dass ich nur die Mandate annehme, die für Techniken von Coaching offen sind. Querulanten möchte ich nicht vertreten.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Heute setze ich Coaching bei jedem Arbeitsrechtsstreit ein, wobei viele meiner Arbeitgeber sehr früh anrufen – wenn es noch gar keinen Streit gibt - und sich dazu beraten lassen, wie sie mit einer Situation umgehen sollen. Das ist kostengünstiger und führt schneller zu einer Lösung oder vermeidet Streit im Ganzen. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Situation liegt der Rat dann häufig darin, wie sich am besten verhalten werden sollte und was eventuell die andere Person antreibt oder überzeugen kann. Damit können Eskalationen von Situationen durch Emotionen und Missverständnisse vermieden werden.

Auch als Notarin helfen mir die Tools vom Coaching, denn auch hier kann ich bei der Verhandlung der Beteiligten insbesondere bei Testamenten, Erbauseinandersetzungen oder anderen familiären bzw. gesellschaftsrechtlichen notariell zu lösenden Konflikten mit den Coachingwissen arbeiten.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Ich halte es für sehr sinnvoll, wenn man sich als Juristin oder Jurist damit auseinandersetzt, was die Ursachen von Konflikten sind und wie man dieses Wissen zur Lösung und zur Vermeidung von Streitigkeiten einsetzen kann, um dem Mandanten möglichst ohne Gerichtsverfahren Lösungen zu bieten. Diese sind in der Regel kostengünstiger und schneller möglich, wenn man nicht nur rechtlich argumentiert. Aus meiner Sicht ist das Aufbauen von Rechtspositionen häufig ein Hindernis für Lösungen, die in einer ganz anderen Ebene gefunden werden kann.

Bei der doch sehr trockenen juristischen Ausbildungsmaterie ist es zudem sinnvoll, selbst durch solche Ausbildungen mehr über sich selbst und das eigene Verhalten zu erfahren, um dem Mandanten eine bessere Beratungsqualität zu bieten.

Ihr persönliches Fazit:

Da es am Ende neben allen rechtlichen Problemen immer um eine Lösung für Menschen geht, kann ich mit der Kombination Jura und Business-Coaching eine größere Zufriedenheit mit den Ergebnissen bei meinen Mandanten und auch bei der Gegenseite erzielen. Die Akzeptanz der Lösung ist größer.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Dr. Natascha Ziemek finden Sie hier:

Link:

www.arbeitsrecht-hannover.de

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