CLP Interviewreihe: Anna Cardillo

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Anna Cardillo, Rechtsanwältin und Legal Coach im Interview bei CLP.

Anna Cardillo ist Rechtsanwältin bei "Spirit Legal" und spezialisiert auf Datenschutzrecht sowie Datenschutzmanagementsysteme. Sie ist als Datenschutzauditorin, Datenschutzbeauftragte, Datenschutzmanagerin sowie zertifizierter Business Coach mit dem Schwerpunkt Change- und Konfliktmanagement sowie Kommunikation tätig. Vor vier Jahren gründete sie in Berlin ein Beratungsunternehmen, welches sich schwerpunktmäßig mit der Implementierung von Datenschutzmanagementsystemen und Training-on-the-Job und Coaching von Datenschutzbeauftragten beschäftigt. Sie coacht daneben vor allem auch Juristen und Juristinnen in Führungspositionen.

Anna Cardillo studierte Rechtswissenschaften in Hamburg und war nach dem ersten Staatsexamen für einige Jahre in der Geschäftsleitung eines Hamburger Bauträgers tätig. Nach dem zweiten Staatsexamen arbeitete sie als Rechtsanwältin und übernahm für einige Jahre die Geschäftsführung in einem Datenschutzberatungsunternehmen. Sie ist inzwischen seit 20 Jahren als Rechtsanwältin tätig und berät bundesweit Unternehmen und öffentliche Stellen rund um den Datenschutz. Ihr Schwerpunkt liegt auf der strategischen Beratung, sie unterstützt zudem bei der Auflösung von Konflikten und begleitet bei der Einführung und Durchsetzung digitaler Prozesse. Sie hält regelmäßig Vorträge und veröffentlicht insbesondere zu Themen an der Schnittstelle Informationssicherheit und Datenschutz. Daneben hat sie einen Lehrbeauftrag an der Universität Bamberg, Lehrstuhl Privatsphäre und Sicherheit in Informationssystemen. Sie ist verheiratet und lebt in Berlin.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Meine ersten Erfahrungen mit Coaching habe ich als Führungskraft gemacht. Ich begann nach dem ersten Staatsexamen – mit 24 noch ziemlich jung – als Führungskraft bei einem Hamburger Bauträger und stand vor einigen Herausforderungen, auf die ich nicht vorbereitet war. Ich war mit Abstand die Jüngste im Unternehmen, weiblich, ohne Erfahrungen in der Baubranche und verantwortete plötzlich Personal. Als Managerin und Führungskraft war ich auch Coach und so habe ich mich mit Coaching-Skills beschäftigt, um die diversen Herausforderungen zu meistern. Themen wie Mitarbeiterführung, Changemanagement, Konfliktmanagement und (Wieder‑)Herstellung der Arbeitsfähigkeit im Team sind Dinge, die einem nicht im Jura-Studium vermittelt werden. Was übrigens sehr schade ist. Juristen und Juristinnen könnten in den vielen Positionen, in denen sie als Führungskraft tätig sind, mit Coaching- und Führungskompetenzen einen großen Unterschied bilden – für sich, die Beschäftigten, das Unternehmen oder die Kanzlei und sogar die Gesellschaft.

Ich bin seit vielen Jahren mit einigen Coaches eng befreundet. Sie haben unterschiedliche berufliche Hintergründe, die meisten sind Ärzte und Psychologen, die einerseits in ihrer Praxis eben als solche tätig sind, andererseits aber auch für die Privatwirtschaft Konzepte für bestimmte Veränderungsprozesse entwerfen und dabei begleiten. Mich faszinierte diese Art der Arbeit, ich kannte aufgrund der eigenen Erfahrungen als Managerin und Führungskraft die Herausforderungen bei Veränderungsprozessen und erfuhr durch Gespräche mit meinen Psychologen-Freunden viel über psycho-soziale Dynamiken in Unternehmen. Ich erkannte, dass vertiefte Kenntnisse auf solchen Themengebieten mir einen Mehrwert auch in der anwaltlichen Beratung bringen könnten und so absolvierte ich berufsbegleitend eine Ausbildung zum Business Coach bei V.I.E.L® Coaching + Training in Hamburg.

Fasziniert haben mich vor allem die Wechselwirkungen in einem System und welche Macht die Sprache, also die Kommunikation hat.

Wenig später war ich tatsächlich auch in einigen großen Projekten in sehr großen Law Firms einbezogen und habe bis heute etliche Gruppentrainings und Einzelcoachings mit Juristen und Juristinnen in Führungspositionen durchgeführt. Heute habe ich einen deutlichen Schwerpunkt bei Datenschutzbeauftragten (die nicht selten Juristen sind) und sonstigen für den Datenschutz Zuständigen. Da herrscht echter Leidensdruck.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Auf die Authenzität und Erfahrung der Ausbilder.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Meine Kommunikation. Der Fragestil einerseits, direkte An- und Aussprachen anderseits. Das Aktive Zuhören ist ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Ein unfassbar hilfreiches Werkzeug. Ich bekam sehr viel Feedback, ausschließlich positives. Ich hörte oft, dass ich ja eine ganz untypische Anwältin sei, man könne ja sogar mit mir normal reden. Darüber sollte die Anwaltschaft übrigens mal nachdenken.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Zunächst in Einzelcoachings von Managern und Managerinnen und Datenschutzbeauftragten. Aktuell überwiegt jedoch meine sonstige Beratungstätigkeit als Anwältin und Beraterin für Datenschutz. Dort setze ich jedoch meine Coaching-Kompetenzen ständig ein. Datenschutz ist nicht sexy. Veränderungen sind zunächst erst einmal unbequem. Bei der Implementierung einer neuen Datenschutzorganisation oder bei Optimierung von Prozessen kommt es an verschiedenen Stellen zu Situationen, in denen ich meine Erfahrungen und Skills zugunsten meiner Mandanten einbringen kann. Ganz oft darf ich erst mal die von den Veränderungsprozessen Betroffenen zu Beteiligten machen, meist sind sie mindestens skeptisch, wenn nicht schon im Widerstand. Im Übrigen setzte ich Coaching-Methoden auch schon bei der Auftragsklärung und beim Erwartungsmanagement ein.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Coaching-Kompetenz ist äußerst relevant, vor allem in meinem Bereich. Ich glaube allerdings, dass das noch nicht wirklich ein Thema unter den Juristen ist. Sie sind überwiegend noch in alten Denkmustern verhaftet und verbinden Coaching mit Sanktionsmaßnahmen zur Abhilfe bei Defiziten. Es hat was mit Schwäche zu tun, nicht gut genug sein. Also ideal im Grunde für ein Coaching 😊

In anderen Fällen ist es oft auch eine Frage der Kosten. Wenn der Arbeitgeber Fortbildungen zwar bewilligt, damit aber solche nach § 15 FAO meint und mit Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahmen zum Beispiel nichts anfangen kann, dann dürfen Beschäftigte eine etwaige Fortbildung in der Freizeit und dann auch noch aus der eigenen Tasche zahlen. Nicht immer so einfach, zumal eine ordentliche Ausbildung oder auch ein regelmäßiges Coaching auch echt Geld kostet.

Ihr persönliches Fazit:

Raus aus der Komfortzone!

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Anna Cardillo finden Sie hier:

Webseite: https://cardillo-consulting.com/

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/rechtsanw%C3%A4ltinanna-cardillo/

Youtube-Interview: https://youtu.be/afofNLacOqY

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