18.06.2020

Image-Wende des Deutschen AnwaltVerein - der DAV geht neue Wege als Vorreiter bei Digitalisierung und wirtschaftlichem Neustart.

Das war der Deutsche Anwaltstag (DAT) 2020 mit CLP: Nicht nur das Thema "Die Kanzlei als erfolgreiches Unternehmen" war ungewöhnlich mutig gewählt sondern auch das hunderprozentige online-Fomat als virtueller DAT war eine für die Branche gewagte Premiere.

Doch der virtuelle DAT 2020 war ein voller Erfolg auf ganzer Linie!

Mit 2.500 Teilnehmern verzeichnete der Deutsche Anwaltstag (DAT), der mehrtätige Kongress mit Messe der Branche im deutschsprachigen Kanzleimarkt, der alljährlich vom Berufsverband Deutscher Anwaltverein veranstaltet wird, einen Besucherrekord.

Dabei kämpfte der Berufsverband mit über 65.000 Mitgliedern gleich mit mehreren Herausforderungen:

Obgleich nahezu jeder zweite aktive Anwalt Mitglied im DAV ist, verzeichnet er seit Jahren rückläufige Mitgliederzahlen. Weitaus gravierender wirkt sich jedoch aus, dass einerseits die Altersstruktur des Verbandes seit Jahren immer älter wird und andererseits die Mitglieder immer häufiger einkommensschwachen Einzel- und Kleinkanzleien angehören. So wurden in der Vergangenheit immer öfter Stimmern laut, die den DAV nicht mehr wirklich als Interessenvertreter der Anwaltschaft insgesamt sahen.

Sein wenig unterstützendes Verhalten bei der Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfaches (beA) in den letzten Jahren sowie bei der Umsetzung des Datenschutzes brachte ihm gar den Ruf ein, dem konservativen Bild des  Berufsstandes Vorschub zu leisten und die Digitalisierung zu verhindern.

Um so mehr ließ die Wahl des diesjährigen Themas aufhorchen "Die Kanzlei als erfolgreiches Unternehmen".

Zwar konnten am Ende die Veranstaltungen, die wirklich Kanzleientwicklung zum Thema hatten, an einer Hand abgezählt werden (so vor allem die Veranstaltungen, an denen wir von CLP gebucht worden waren) - mit viel gutem Willen mag man auch Marketingthemen sowie berufspolitische, gebührenrechtliche sowie Ethikthemen dazusortieren. Das Thema "Führung" hingegen war komlett ausgeblendet worden, obgleich gerade in der aktuellen Situation und auch bei Kanzleientwicklungsthemen hier oft der eigentliche "Problempunkt" sitzt.

Dennoch beinhaltete das weit überwiegende Programm anwaltliche Fachfortbildung - kein Wunder: wird doch der mehrtägige Kongress vor allem auch als zentrale Weiterbildungsveranstaltung genutzt, um hier vor allem das "Geschäftsmodell" der über 20 Fachanwaltschaften zu stützen. Der alljährliche DAT bietet wie kein anderes Veranstaltungsformat der Branche die Möglichkeit die jährliche Fortbildungsverpflichtung als Fachanwalt mit den erforderlichen Weiterbildungspunkten nach FAO zu bedienen. Da passt es gut, dass die Deutsche Anwaltsakademie (DAA) als zentraler Weiterbildungsanbieter nach FAO auch gleichzeitig Veranstalter des DAT ist. Dass genau genommen Kanzleientwicklung ebenso wie Karriere und Soft Skills für Anwälte nach wie vor weder in der Ausbildung noch in der Weiterbildung nach FAO offiziell vorkommen, hatte bislang denn auch konsequent zur Folge, dass diese eben auch in der Geschichte der Anwaltstage bislang nie Thema  waren.

Um so mehr ist also zu begrüßen, dass dieses strukturelle Problem den DAV nicht daran gehindert hat, es in diesem Jahr zum Motto des DAT zu machen.

Eine weitere Herausforderung der jährlich von langer Hand geplanten Veranstaltugn war selbstverständlich der Corona Lockdown, der eintrat, als Programm und Messe bereits fixiert waren. Auch konnte bis wenige Wochen vor der Veranstaltung niemand sagen, ob und in welcher Form derartige Veranstaltungen überhaupt stattfinden dürfen. So wurden denn auch mehrheitlich Großveranstaltungen im Frühsommer abgesagt, wenige auf den Herbst verschoben. Der DAV entschloss sich jedoch mit der Präsidentin Frau Kindermann mutig zur Flucht nach vorn und setzte kurzfrisitg dem DAT ein "virtuell" voran: der erste virtuelle DAT war aus der Taufe gehoben. Dieser beherzte Mut beeindruckte auch das über die Jahre gewachsene starke Netzwerk der Veranstaltung: viele Ausführende, Vortragende, Aussteller waren bereit, kurzfristig flexibel umzudisponieren und spontan zu unterstützen - wohlgemerkt ein Format, welches mit nur wenigen Wochen Vorlaufzeit und weitgehend ohne Erfahrung an den Start ging. Übrigens nachdem kommerzielle Anbieter der Kanzlei-Branche längst die ersten online Karrieremessen und online Kanzleimessen veranstalteten.

Zuletzt ließ der DAV mit der Ansage aufhorchen, dass der vDAT anders als sonst weitgehend kostenfrei und offen für alle sei und setzte damit bewußt ein Signal für die Anwaltsbranche in Deutschland aber auch über Ländergrenzen hinweg in Zeiten von Corona.

Immerhin war auch die Anwaltsbranche vom Covid_19 Lockdown stark getroffen worden; der Stillstand der Rechtspflege und die anhaltende Diskussion über die strukturelle Relevanz von Anwälten schwächte zusätzlich. Die Anforderungen für Hilfsmittel schien für die Anwaltschaft unerfüllbar, trotz der später befürchteten Insolvenzwelle der Unternehmensmandate. Da zudem das Thema der Kanzleientwicklung durchaus nicht deutschlandbezogen war, positionierte sich der DAV mit dieser Ansage auch stark nicht nur bei seinen Auslandvereinen sondern vor allem auch bei der Anwaltschaft in den deutschsprachigen Nachbarländern.

Mit durchschnittlich über 100 Teilnehmern pro Webinarvortrag honorierte denn auch die Anwaltschaft Format und Thema und brachte einen Besucherrekord. Der durchdachte Mix aus Live-Veranstaltungen, Aufnahmen, Podcast etc. sowie die Entzerrung des 2tägigen Kongresses auf 5 Tage machte die Teilnahme auch für viele interessant, die sie berufsbegleitend absolvierten und sich sonst nie die Zeit nahmen, am DAT teilzunehmen.

Die sonst starke Advotec war natürlich nicht so bestückt und bespielt wie offline üblich. Hier gibt es sicherlich Verbesserungspotenzial. Ebenso bei Bedienoberfläche und Nutzerfreundlichkeit der verwendeten Technik sowie die Kompatibiliät zu Apple-Endgeräten.

Und dass das Networking mit Kollegen und die hochwertigen Abendveranstaltungen ersatzlos entfielen, ohne dass hierfür Ersatzformate auch nur angedacht wurden - läßt zumindest die Vorfreude auf das nächste Jahr (offline) wachsen.

Dass gerade das Thema "Die Kanzlei als erfolgreiches Unternehmen" auch vor dem Covid_19 Lockdown und dessen Auswirkungen hätte noch mehr aktuell beleuchtet werden müssen (Stichwort: neue Geschäftsfelder, NewWork, Corona-LegalTech) - geschenkt. Dies wäre sicherlich "die Kirsche auf dem Sahnehäubchen gewesen".

Wirkliche Schmerzen bereitete hinegen, dass dieser einwöchige online Kongress mit all seinen Premieren und Rekorden online in den sozialen und beruflichen Netzwerken quasi unsichtbar war. Zwar gab es ein seit Jahren gewachsenes Hashtag (#Anwaltstag2020), der jedoch von offizieller Seite weder beworben noch bespielt wurde. Eine "e-mail-Depesche" im Sinne einer Rundmail mag so mancher Berufsträger bequem finden - die junge und mittlere Generation der Anwaltschaft - also die Generationen von Berufsträgern, die die nächsten 5-10 Anwaltstage füllen sollen, erreicht man damit hingegen nicht mehr. Wohlgemerkt: damit ist noch nicht das Potenzial der modernen Team- und Eventplattformen angesprochen für spontanes Netzwerken und projektbezogene Zusammenarbeit, unverbindliche Hangouts, Chat- und Videofunktionen sowie Gamifikation.

Da ist nicht nur Luft nach oben - das ist schlicht ein Vakuum.

Hier sollte  das Motto "Nach dem Anwaltstag ist vor dem Anwaltstag" unbedingt genutzt werden, um mit Lichtgeschwindigkeit zumindest in der Gegenwart anzukommen.

Fazit: Der DAV hat eindrucksvoll bewiesen, dass er das Potenzial hat, die deutschsprachige Anwaltschaft bei aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu unterstützen und ein Sprachrohr der Berufsträger zu sein. Diesen Mut und Innovationsgeist gilt es zu bewahren - zumal hier nach langer Zeit endlich der eigentliche Geist der Berufsträger, der Mitglieder, der Anwälte zu spüren war.

Im nächsten Jahr wird der Deutsche Anwaltverein sein 150 jähriges Bestehen auf dem Deutschen Anwaltstag  in Berlin feiern! Es bleibt zu hoffen, dass er sich viel vom diesjährigen Erfolg bewahrt.

Mehr Informationen hier.

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