CLP Interviewreihe: Dr. Maren Augustin
Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Maren Augustin, Juristin sowie systemischer Business Coach, Ikigai Coach und ADHS Coach berichtet darüber im Interview bei CLP.
Dr. Maren Augustin war 15 Jahre als Rechtsanwältin in zwei überregionalen Kanzleien tätig, zuletzt als Managing Partnerin HR mit den Qualifikationen als Fachanwältin für Arbeits- und Insolvenzrecht. Während eines Sabbaticals folgte sie ihrer langjährigen Passion für Kyūdō (japanisches Bogenschießen) und japanische Kultur. In mehreren längeren Aufenthalten in Tōkyō und Kyōtō vertiefte sie ihr Verständnis für Zen und die japanische Lebenskunst.
Auf Basis der in Japan gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse begann sie eine systemische Ausbildung als Business Coach und startete 2021 ihr Coaching & Beratungsbusiness. Parallel dazu war sie bis Ende 2023 als Syndikusanwältin im Bereich HR eines internationalen Versicherungskonzerns tätig. Seither ist sie Rechtsanwältin und Coach selbständig tätig. 2025 ergänzte sie ihre Expertise durch weitere Zertifizierungen als Ikigai Coach und als ADHS Coach.
Frau Dr. Augustin verbindet in ihrem Coaching die langjährigen Erfahrungen als Rechtsanwältin und Unternehmerin mit systemischen Elementen sowie japanischen Konzepten und Philosophien wie Kintsugi (der Kunst, Brüche mit Gold zu reparieren) und Kaizen. Das japanische Konzept Ikigai hat es ihr besonders angetan. Für Japaner ist Ikigai das, was das Leben lebenswert macht, die Antriebskraft und Motivation oder auch ganz einfach, der Grund morgens aufzustehen.
Privat führt die Passion für Kyudo und Zazen Frau Dr. Augustin regelmäßig zurück nach Japan. Zuhause liebt sie es, den Tag mit Zazen und einer Tasse Tee bei ihren Bonsai zu beginnen.
1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?
Ich habe Coaching zuerst in eigener Sache entdeckt, als ich realisierte, dass ich in einem Konflikt feststeckte, der sich weder mit juristischer Qualifikation noch mit Hilfe einer Mediatorin lösen ließ. In einem Coaching durfte ich viel über mich selbst, meine Werte und Motive sowie meinen Anteil an der Situation lernen, bis eine wirkliche Auflösung des Konflikts gelang.
In meiner juristischen Tätigkeit war mir immer klarer geworden, dass es nicht nur um Recht geht, sondern auch um innere Stärke, Klarheit und Mut. Konflikte nachhaltig zu lösen, gelingt nicht, wenn der Fokus nur auf der Sachebene liegt. Nur wenn ich den Menschen mit seinen Emotionen und Bedürfnissen sehe und ihn mitnehme, kann ich einen Konflikt auflösen.
Mich hat die Möglichkeit fasziniert, durch Coaching Potenziale freizusetzen, neue Wege zu eröffnen – und dabei einen nachhaltigen Unterschied für Mandanten und Klienten zu machen.
2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?
Mir war wichtig, Coaching nicht als Technik, sondern als Haltung zu verstehen. Authentizität, Wertschätzung und aktives, empathisches Zuhören standen für mich im Vordergrund.
Zu den Erkenntnissen, die ich im Rahmen meiner Coaching Ausbildungen gewinnen durfte, gehörte auch diejenige, wie hilfreich Coaching für neurodiverse Menschen sein kann – insbesondere für ADHS-Betroffene wie mich selbst.
Routinen, Achtsamkeitsübungen und Strukturmodelle, die ich entwickelt habe, vereinfachen den Alltag, reduzieren Stress und schaffen Klarheit.
Heute weiß ich: Die besondere Denk- und Wahrnehmungsweise von neurodiversen Menschen ist im Unternehmenskontext eine große Bereicherung – wenn die Rahmenbedingungen darauf abgestimmt sind. Hier leistet Coaching einen wertvollen Beitrag, indem es sowohl individuelle Strategien als auch strukturelle Anpassungen ermöglicht.
3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?
Ich habe bereits früher festgestellt, dass für mich gleichranging neben dem juristischen Anliegen der Mensch steht. Durch die Coachingausbildung gehe ich heute noch bewusster in Gespräche und Verhandlungen. Ich bereite mich nicht nur fachlich, sondern auch innerlich vor. Meine Klienten spüren, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch in ihrer Rolle als Führungskraft oder Unternehmerin gestärkt werden.
Kollegen heben häufig meine Ruhe und Klarheit hervor – Eigenschaften, die ich meiner Zen-Praxis verdanke. Auch werde ich darauf angesprochen, dass ich immer in der Lage bin, mit Mandanten auf Augenhöhe zu kommunizieren – egal ob es sich um ein Vorstandsmitglied oder einen Handwerksmeister handelt.
4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?
Im juristischen Kontext bin ich als Coach Sparringspartnerin für meine Klienten, wobei in der Regel sowohl Beratungs- als auch Coachingelemente zum Einsatz kommen.
In meiner Coachingpraxis biete ich klassische Einzelcoachings für Führungskräfte, Karrierecoaching und Mentoring an.
Darüber hinaus habe ich zwei Programme entwickelt, mit dem Leitgedanken Räume zu schaffen, in denen Klarheit, Balance und Zukunftsfähigkeit entstehen – die Basis für nachhaltigen Erfolg und persönliches Wachstum.
Resilient by Design – Kintsugi for Leadership and Life verbindet moderne Resilienzforschung mit japanischer Philosophie. Resilienz bedeutet nicht, Brüche zu vermeiden, sondern sie als Teil der eigenen Geschichte anzunehmen und daraus neue Stärke zu gewinnen. Inspiriert vom Prinzip des Kintsugi zeigt das Programm, wie vorhandene Ressourcen und Erfahrungen zu neuer Klarheit und Balance führen – im Beruf wie im Leben. So entsteht ein Führungsstil, der nicht geschwächt, sondern gestärkt aus Veränderungen hervorgeht
Der ADS-Workshop ist ein praxisnahes Online-Programm in Kleingruppen, das Menschen mit ADS unterstützt, Routinen und Strukturen zu entwickeln, Stress zu reduzieren und ihre besondere Denkweise als Ressource zu nutzen. Grundlage sind auch hier systemisches Coaching und japanische Prinzipien wie Kaizen und Achtsamkeit sowiespezielle Strategien für neurodiverse Persönlichkeiten.
5. Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?
Die Relevanz ist hoch. Fachwissen allein reicht heute nicht mehr aus. Coachingkompetenz ermöglicht es, Mandanten ganzheitlich zu unterstützen und Lösungen zu entwickeln, die nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich tragen.
Ihr persönliches Fazit:
Mein eigener Coachingprozess war der Ausgangspunkt für tiefgreifende Veränderungen und Weiterentwicklung. Ich habe meine Werte klarer erkannt, meine Prioritäten neu ausgerichtet und lebe heute bewusster, fokussierter und mit mehr Lebensfreude.
Besonders berührt hat mich dabei das japanische Konzept des Ikigai. Die in Japan gewonnenen Einsichten und Erfahrungen bilden den Grundpfeiler meines eigenen Ikigai: Menschen zu begleiten, ihr Potenzial zu entfalten, Resilienz zu entwickeln und ihren persönlichen Weg zu Klarheit und Sinn zu finden.
Was ist Ihr Grund, jeden Morgen aufzustehen und mit Hingabe und Leidenschaft Ihrem Tageswerk nachzugehen? Was treibt Sie an? Lassen Sie uns gemeinsam Ihr Ikigai finden.
Vielen herzlichen Dank.
Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!
Mehr zu Dr. Maren Augustin finden Sie hier:
