CLP Interviewreihe Legal Coaches: Dr. Franziska Haberl

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Dr. Franziska Haberl, Richterin a.d. und Karriere Coach und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Frau Dr. Haberl kommt aus dem schönen Oberallgäu, Bayern. Nachdem sie in Augsburg und München die Juristische Ausbildung absolviert hat, promovierte sie ebenfalls in Augsburg. Die nächsten Jahre widmete sie sich der Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst als Richterin auf Probe am Verwaltungsgericht Augsburg und anschließend als Präsidialreferentin und Pressesprecherin am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Im Herbst 2021 entließ sie sich aus dem Dienst des Freistaates um Life Coaching B.Sc. an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport zu studieren. Während dieser Zeit wirkte sie in mehreren Startups u.a. in den Bereichen People & Culture sowie Legal & Tax. 2023 gründete sie ihr Unternehmen Life Law Balance® Coaching für Jurist:innen. Gerade schließt sie das fast 4-jährige Life Coaching Studium mit einer Bachelorarbeit zur mentalen Gesundheit in der Rechtsbranche ab. Zusammen mit ihrer Kollegin Sarah Kind hostet sie den Podcast ROBE & REVOLTE mit dem sie sich der Transformation der Rechtsbranche verschrieben haben; ganz nach dem Motto „Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu!“. 

Frau Dr. Haberl lebt, nachdem sie für zwei Jahre digital nomadisch in über 30 verschiedenen Ländern gelebt hat, zusammen mit ihrem Partner in Recklinghausen, NRW. Sie liebt Outdoor Sport jeder Art und ist im Herzen Yogini.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Das erste Mal in Berührung mit Coaching kam ich über die Gestalttherapie. Während meiner Zeit am Verwaltungsgericht sowie am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war ich mit einigen beruflichen und privaten Herausforderungen konfrontiert. Zur Bewältigung suchte ich mir Unterstützung durch einen Therapeuten, der mich ca. 3 Jahre lang begleitete. Damals hatte ich von Coaching noch nichts gehört, war aber fasziniert davon, wie die Arbeit mit einem Therapeuten zu ungeahnten Perspektivwechseln führte. Damit begann meine eigene Reise der Persönlichkeitsentwicklung. Dabei habe ich so viele Fähigkeiten in mir entdeckt, die in der juristischen Tätigkeit nicht zur Geltung kamen, wie z.B. meine ausgeprägte Empathie und Sensibilität. Diese Arbeit hat mich so stark geprägt, dass ich ein immer größeres Bedürfnis entwickelte, in diesem Bereich mit Menschen zu arbeiten und mich gleichzeitig immer unwohler in dem System der juristischen Arbeit gefühlt habe. Als ich mich dann damit beschäftigte, wie ich mich selbst in diesem Bereich fortbilden konnte, bin ich auf das Life Coaching Studium an der DHGS gestoßen, das zum damaligen Zeitpunkt alles abdeckte, was für mich spannend war.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Leider ist der Beruf des Coaches bzw. die Bezeichnung Coach nicht geschützt. Daher war es mir besonders wichtig, eine fundierte und seriöse Ausbildung zu machen. Im Life Coaching Studium wurden neben den klassischen Coaching Bereichen, wie Individualcoaching, Team- und Leadership Coaching, Kommunikation und Konfliktmanagement eben auch vertiefte psychologische Inhalte sowie Inhalte der Ernährungs- und Sportwissenschaften vermittelt. Diese umfassende Ausbildung hat es mir zum einen ermöglicht, einen holistischen Blick auf den Menschen zu werfen und gleichzeitig vertieftes Wissen, sowie Praxis im psychologischen Coaching zu erwerben. Daneben habe ich eine praktische Life Coaching Ausbildung gemacht, sowie eine Yoga- und Meditationslehrerinnen Ausbildung in Indien absolviert. Unsere westliche sehr wissenschaftliche Herangehensweise lässt sich wunderbar mit alten fernöstlichen Traditionen kombinieren. Konzepte, wie die Achtsamkeit, die im Coaching regelmäßig eine Rolle spielen, genauso wie Methoden des Stressmanagements und der aktiven Entspannung, wurden dort bereits jahrtausendelang praktiziert, bevor sie hier eine Rolle spielten. Als Coach trage ich eine große Verantwortung. Menschen vertrauen sich mir an und lassen sich durch mich in mitunter schwierigen Lebenssituationen begleiten. Es war mir entsprechend wichtig, die dafür erforderlichen Fähigkeiten fundiert zu erlernen und ein tiefes Verständnis für den Menschen in seiner Ganzheit zu entwickeln.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Das Coaching Studium hat meinen Blick auf die Juristerei komplett und nachhaltig verändert. Die Art und Weise wie wir als Jurist:innen kommunizieren, mit Konflikten umgehen, wie wir uns in zwischenmenschlichen Beziehungen zu Kolleg:innen, Mitarbeiter:innen und Mandant:innen verhalten und wie wir mit uns selbst umgehen. Mir wurde plötzlich klar, warum sich in den Jahren zuvor so ein Störgefühl bei mir aufgetan hat. Mit dem wachsenden Verständnis für mich selbst, kam auch ein wachsendes Verständnis für andere. Gleichzeitig wurde mein Wunsch in der Rechtsbranche etwas zu verändern immer größer, weil ich denke, dass hier ganz schön viel Potenzial verschwendet wird. Dafür stehe ich unter anderem auf LinkedIn oder auch im Podcast ein. Die meisten Kolleg:innen reagieren positiv darauf und sind neugierig. Daneben gibt es, sehr wenige, ablehnende Reaktionen mit denen ich aber auch sehr gut leben kann. Mein Weg passt eben nicht zu jedem.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Mit meinem digitalen 1:1 Coaching begleite ich Jurist:innen bei jeder Art von alltäglicher und außeralltäglicher Herausforderung. Insbesondere die persönliche und berufliche Orientierung und Entwicklung steht hier im Fokus meiner Arbeit. Dabei arbeite ich werte- und ressourcenorientiert, so dass meine Klient:innen am Ende mit klaren Zielen, einem geschärften Blick auf sich selbst, sowie mit mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein in die Welt treten.

Daneben liegt mir insbesondere die Zukunftsfähigkeit der Rechtsbranche am Herzen. Aufgrund meiner eigenen Geschichte, ganz besonders diejenige des öffentlichen Sektors. Mit Resonanz.Raum,  unserem gemeinsamen Projekt, begleiten meine Kollegin Sarah Kind und ich Veränderungsprozesse in Kommunen, kommunalen Unternehmen, Behörden und der Justiz. Wir bieten maßgeschneiderte Change-Begleitung, Führungskräfte- und Team-Coachings an. Dabei verbinden wir tiefes Systemverständnis mit einer frischen, lösungsorientierten Perspektive.  Zusammen mit meiner Kollegin Franziska Schewe biete ich zudem zweimal im Jahr einen Retreat mit pferdeunterstütztem Coaching an, das nochmal einen ganz besonderen Mehrwert liefert; nämlich das wertfreie und sofortige Feedback des Pferdes. Daneben bieten wir vor Ort in Dinkelsbühl auf dem Hof meiner Kollegin maßgeschneiderte Teambuilding Events, Teamcoaching sowie Leadership Coaching Programme für Unternehmen und Kanzleien.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Sehr hoch. Jurist:innen durchlaufen eine rein fachliche Ausbildung und konzentrieren sich auch nach der Ausbildung überwiegend auf rein fachliche Fortbildungen. Um als Branche zukunftsfähig zu sein, muss sich das ändern. KI wird viel der rein juristischen Arbeit abnehmen. Was bleibt sind unsere menschlichen Fähigkeiten im Umgang mit Rechtssuchenden. Um bessere Verträge zu verhandeln, Konflikte konstruktiv und nachhaltig zu lösen aber auch unsere Mitarbeitenden gut und gesund zu führen, brauchen wir genau diese Fähigkeiten. Wir brauchen sie daneben auch, um die vielen Veränderungsprozesse, die gerade parallel anstehen bzw. schon laufen, sei es die Digitalisierung, sei es Inklusion und Diversity, sei es der demographische Wandel und der damit einhergehende Generationenwechsel nicht nur zu überstehen, sondern als Chancen zu nutzen und nicht abgehängt zu werden.

Ihr persönliches Fazit:

Eine funktionierende und gesunde Rechtsbranche ist essenziell für den Rechtsstaat, sie darf und muss sich weiterentwickeln. Haben wir immer schon so gemacht, ist keine Strategie; Erst recht keine, die uns weiterbringt. Coaching im individuellen aber auch im organisationalen Bereich im Sinne von Change Begleitung und Organisationsentwicklung kann hier für die Branche ein wertvolles Tool sein, um die notwendigen Schritte anzugehen. Hierzu möchte ich mit meiner Arbeit einen Beitrag leisten.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

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