CLP Interviewreihe: Legal Coaches

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Astrid Heuberger, Verwaltungsjuristin und (Legal) Coach im Interview bei CLP.

Astrid Heuberger ist bereits seit 30 Jahren in der öffentlichen Verwaltung an einer Kreisverwaltungsbehörde in Bayern tätig, davon seit 20 Jahren als juristische Abteilungsleiterin. Sie leitet den Bereich der Rechtsaufsicht über Städte und Gemeinden und ist als Fachjuristin für Bau- und Architektenrecht sowie Vergaberecht tätig.

Als Business Coach begleitet sie v.a. Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung mit Blick auf die verschiedensten Herausforderungen durch Transformation der Verwaltung und moderner Führung.

Sie lebt mit ihrer Familie in Niederbayern.

1.Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Ich fand zum Thema Coaching auf Umwegen.

So leite ich seit rund 20 Jahren an einem Landratsamt die Aufsicht über Städte und Gemeinden und deren Beratung, worin vielerlei Konflikte wurzeln, sei es mit Gemeindeverwaltungen oder Mandatsträgern oder sei es mit Bürgern. Seit etwa 15 Jahren begleite ich juristisch die Baumaßnahmen an landkreiseigenen Liegenschaften (v.a. weiterführende Schulen, Amtsgebäude) besonders bei Leistungsstörungen, was stets Verhandlungsgespräche mit allen am Bau Beteiligten erfordert.

Gerade dieser Aufgabenbereich hat mich dazu bewogen, mich abseits fachjuristischer Fortbildungen nach einer Zusatzausbildung für Mediation oder Streitbeilegung umzusehen. In diesem Zusammenhang bin ich auf die Coaching Ausbildung speziell für Juristen gestoßen und habe gewissermaßen neues Terrain betreten.

So fasziniert mich besonders, welche Möglichkeiten das Verständnis von Coaching und die Anwendung von Coaching-Kompetenzen eröffnen; dies ebenso im beruflichen wie privaten Umfeld.

Trotz der finanziellen Rahmenbedingungen und Vorgaben, denen die öffentliche Hand unterliegt, ist es bei streitigen Situationen gerade im privaten Baurecht in hohem Maße bedeutend, interessengerechte Lösungen mit Unternehmen, Architekten, Projektsteuerern etc zu finden und Vergleichsvereinbarungen zu suchen, die für jede Seite jeweils die individuell beste Lösung beinhaltet.

Auch im Spannungsfeld Verwaltung-Bürger-Kommunalpolitik bedarf jeder Konflikt einer eigenen individuellen Lösung; trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es selten die eine allgemeingültige Lösung.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Beim Erlernen von Coaching habe ich zunächst die zentrale Bedeutung der eigenen Persönlichkeit, meiner Haltung und meines Mind-Sets als Coach intensiv wahrgenommen. Ich habe neben den vielen Coaching-Techniken besonders auf die Rolle des Coach als auch die des Coachees und damit den Prozess des Coachings mit Blick auf die Kernkompetenzen geachtet.

Eine besondere Herausforderung für mich war, nicht direkt selbst den Raum für Problemerörterung und Lösung zu besetzen, sondern aktiv zuhörend und beobachtend auch „Stille auszuhalten“, damit der Coachee genug Möglichkeit zur Selbstreflexion hat und zugleich auch „gefordert“ ist und bleibt.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Die Anwendung der Coaching Kompetenzen habe ich in hohem Maß in meinen Hauptberuf „integriert“.

Besonders hat sich die Wahrnehmung von Menschen verändert, das Verständnis von Kommunikation, aktivem Zuhören, Vertrauen und Feedback.

Sie ermöglichen mir sowohl im Dialog mit Einzelpersonen als auch bei der Entwicklung von und in Teams deren Situation ganzheitlicher zu sehen, insbesondere was meine Tätigkeit als Führungskraft anbelangt.

Zugleich setze ich die Coaching Tools in größerer Gesprächsrunde ein, gerade wenn diese konfliktbehaftete Themen zum Inhalt haben.

Ich erlebe deutliche Verbesserungen in der Verhandlungsführung, auch wenn sich nicht stets umgehend eine fertige Lösung für alle abzeichnet. Die Gespräche gestalten sich ganzheitlicher und dennoch fokussierter, indem alle Parteien Raum erhalten, ihre Bedürfnisse, Ziele und Motivationen zu äußern, ohne sich „überfahren“ oder „unverstanden“ zu fühlen.

Die Gespräche erschöpfen sich nicht in bloßen faktischen Sachverhaltsanalysen, sondern beziehen Werte und Motivationen der Gesprächspartner mit ein und entfalten damit einen Perspektivenwechsel.

So lassen sich im Fortgang bei weiterer Betrachtung in einzelnen Gesprächen wesentlich schneller und individuell bessere und v.a. nachhaltige Vergleichslösungen entwickeln.

Gerade die Aufrechterhaltung jahrelanger Geschäftsbeziehungen ist für uns weitaus gewinnbringender als in einem konkreten Einzelfall einen „Sieg“ davonzutragen.

Die Reaktionen einerseits von Kollegen und Mitarbeitenden sowie andererseits von Vertretern von Kommunen sowie Baubeteiligten waren durchwegs sehr positiv.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Ich setze Elemente und Techniken des Coachings in allen Bereichen meiner hauptberuflichen Tätigkeiten ein. Sie sind inzwischen fester Bestandteil meiner Arbeit; zum einen bei meiner Aufgabe als Führungskraft und zum anderen im Kontext der fachjuristischen Aufgaben mit externen Beteiligten bei der Kommunalaufsicht und bei der juristischen Betreuung von Bauobjekten.

Weiter biete ich nebenberuflich Einzel Coaching besonders für Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung an, um sie u.a. beim Start ihrer Tätigkeit und den neuen Herausforderungen zu unterstützen. Dies insbesondere mit Blick auf die künftigen drängenden Themen der Transformation der Verwaltung und moderner Führung. Bisweilen geht es auch darum, Menschen dabei zu unterstützen, Klarheit über eine berufliche Neuorientierung oder Weiterentwicklung zu gewinnen.

5.  Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coaching Ausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Seit ich die Coaching-Ausbildung absolviert habe, ist mir die stark zunehmende Bedeutung von Coaching und das Potential der Coaching-Kompetenzen bewusst geworden, nicht nur in den klassischen Berufen der Justiz, sondern auch bei der öffentlichen Verwaltung oder Unternehmensjuristen.
So konnte ich zwar über die Jahre hinweg viele Fortbildungen besuchen, primär fachjuristisch u.a. durch Fachanwaltslehrgänge, zugleich auch in Führungskräfteseminaren, die durchaus verschiedene Ansätze der Führung, notwendiges Hintergrundwissen und neue Herausforderungen zum Inhalt hatten.

Den ganzheitlichen Ansatz, die Coaching-Kompetenzen und den individuellen Coaching-Prozess habe ich erst in der Coaching Ausbildung wirklich durchdrungen und dadurch das Verständnis im Umgang mit Mitarbeitenden oder externen Partnern und die Umsetzung in Gesprächsprozessen bereichern können.

Ihr persönliches Fazit:

Ich bin sehr dankbar für die Entscheidung, dass ich die Coaching Ausbildung gemacht habe.

Sie hat mich am meisten selbst in meiner Entwicklung vorangebracht, besonders durch Selbstreflexion, Selbstwirksamkeit, Bewusstsein eigener Verhaltensweisen und v.a. die Bereitschaft zur eigenen Veränderung.

Die immer schnelleren und größeren Veränderungen im wirtschaftlichen, beruflichen und privaten Bereich sind eine immense Herausforderung. Mit Unterstützung durch Coaching eröffnen sich insbesondere große Potentiale bei Verbesserungen in der Organisationsentwicklung und zugleich auch der persönlichen Entwicklung und Resilienz von Mitarbeitenden.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Astrid Heuberger auf LinkedIn