CLP Interviewreihe: Johannes Rauchfuss

Wie können Juristen von einer Coachingausbildung profitieren?
Und wo genau kommt (Legal) Coaching in der juristischen Praxis zum Einsatz?
Johannes Rauchfuss, Rechtsanwalt für IT und Datenschutz sowie Legal Coach in Berlin berichtet darüber im Interview bei CLP.

Johannes ist Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten IT-, Datenschutz- und Medienrecht. Er berät vor allem Start-ups und mittelständische Unternehmen – stets mit dem Anspruch, nicht nur die rechtliche, sondern die gesamte unternehmerische Perspektive im Blick zu behalten. Neben der Juristerei treibt ihn seine Leidenschaft fürs Lernen und Weiterdenken an: aktuell vertieft er sich im Master of Law (Medienrecht) an der Uni Mainz.
Privat tankt er Energie beim Tauchen (am liebsten bei mindestens 27 Grad), beim Kochen, in der Partner-Akrobatik – und manchmal auch im Kampfsport. Neugier, Offenheit und der Wunsch, Menschen wirklich zu verstehen, prägen nicht nur seine Freizeit, sondern auch seinen juristischen Ansatz.

1. Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Legal Coaching beschäftigt und warum? Was hat Sie daran besonders fasziniert?

Eine Anwaltskollegin hat einmal eine Coaching-Session mit mir gemacht, als es um meine Zielgruppenausrichtung und die Frage ging: „Für welche Themen brenne ich eigentlich?“ Zunächst war ich skeptisch. Da ich aber neugierig war und sie mir sympathisch erschien, habe ich mich darauf eingelassen. Obwohl wir uns bis dahin nur oberflächlich kannten, gelang es ihr durch gezielte Fragen, Antworten aus mir hervorzuholen, die längst in mir geschlummert hatten. Innerhalb einer Stunde löste sich ein Knoten, mit dem ich mich zuvor über Wochen blockiert hatte – und plötzlich war wieder Bewegung in meiner Kanzleiausrichtung im IT- und Datenschutzrecht möglich.

2. Worauf haben Sie persönlich beim Erlernen von Coaching besonders geachtet?

Mir war wichtig, nicht einfach nur Methoden oder Tools auswendig zu lernen, sondern die Haltung eines Legal Coaches wirklich zu verinnerlichen. Das bedeutet für mich: aufmerksam zuhören, Fragen nicht vorschnell mit Antworten überlagern und Raum für die Gedanken des Gegenübers lassen. Gleichzeitig habe ich darauf geachtet, wie Coaching in meiner anwaltlichen Tätigkeit im IT- und Medienrecht sinnvoll integriert werden kann – also wann es besser ist, den juristischen Rahmen zurückzustellen, und wann der Moment gekommen ist, den Fokus wieder klar auf die rechtliche Lösung zu lenken.

Kurz gesagt: Ich wollte nicht einfach Techniken anwenden, sondern Coaching so lernen, dass es authentisch zu mir passt und meinen Mandant*innen echten Mehrwert bietet.

3. Was hat sich für Sie nach Ihrer Coachingausbildung in Ihrer juristischen Tätigkeit verändert? Welche Reaktionen haben Sie von Kollegen, Mitarbeitern und Klienten erhalten?

Durch die zusätzlich erlernten Tools habe ich ein breiteres Spektrum an Lösungsmöglichkeiten, das abseits der typischen juristischen Lösungswelt liegt. Das reicht vom gezielten Fragenstellen über das Hineinhören zwischen die Zeilen bis hin zum Aufgreifen von Themen, die für die juristische Lösung zwar nicht relevant sind, für die Menschen aber gerade im Vordergrund stehen. Legal Coaching für Mandant*innen kann hier einen Raum öffnen, in dem solche Themen behandelt und im besten Fall abgeschlossen werden – sodass der Kopf wieder frei ist für die rechtlichen Fragen. Genau das haben mir viele Mandant*innen gespiegelt.

4. Wozu setzen Sie Coaching heute in Ihrer beruflichen Situation ein?

Besonders in Situationen, in denen das sogenannte Mandanteninteresse noch nicht klar ist, hilft Coaching, dieses herauszuarbeiten und anschließend die passenden rechtlichen Wege zu ermitteln. Auch wenn verschiedene Optionen im Raum stehen und ich eine Entscheidung brauche, welchen Weg wir einschlagen, kann Coaching unterstützen. Denn nicht jede*r Mandant*in weiß sofort, welchen Kurs er oder sie wählen möchte.

Die bis dahin erstklassige rechtliche Beratung bringt wenig, wenn die Entscheidung am Ende ausbleibt. Der klassische Anwalt sieht an dieser Stelle seine Aufgabe meist als erfüllt an, wartet auf Rückmeldung und stellt in der Zwischenzeit seine Kostenrechnung. Legal Coaching in der anwaltlichen Beratung schließt genau diese Lücke: Es hilft Mandant*innen, die für sie richtige Entscheidung herauszuarbeiten – und zwar in einer Stunde, statt nach vielen Grübelrunden oder unsicheren Gesprächen im Freundeskreis.

Was mich an meiner Arbeit besonders begeistert: Ich begleite Menschen nicht nur durch rechtliche Fragen, sondern stehe ihnen auch in den Momenten bei, in denen es menschlich herausfordernd wird. Wenn beispielsweise die Geschäftsführung von Compliance spricht, die IT-Abteilung von Systemarchitekturen und das Marketing von Customer Journey – dann braucht es jemanden, der übersetzt, vermittelt und alle an einen Tisch bringt. Genau hier entfaltet Legal Coaching seine Stärke: Es schafft einen Raum, in dem unterschiedliche Perspektiven nicht gegeneinander stehen, sondern zu gemeinsamen Lösungen verschmelzen.

5. Wie hoch schätzen Sie insgesamt die Relevanz von Coaching oder Coachingausbildungen für Juristen ein? Wie nehmen Sie die Entwicklungstendenzen wahr?

Schon in der juristischen Ausbildung fehlt es an Qualifikationen im zwischenmenschlichen Bereich – Fähigkeiten, die oft mühsam nachgelernt werden müssen. Manche erwerben sie nie. Rechtliche Falllösungen wird es in Zukunft vermutlich zunehmend von Künstlicher Intelligenz im Rechtsbereich geben. Was diese aber nicht leisten kann, ist empathisch auf Menschen einzugehen, non-verbale Signale zu deuten und Spannungen im Raum auszuhalten.

Gerade darin liegt ein Schlüssel: Manchmal ist der größte Erfolg nicht das erstrittene Urteil, sondern eine einfache Entschuldigung, die inneren Frieden schafft. Wenn ein solches Ergebnis schneller, günstiger und nachhaltiger ist als ein jahrelanger Prozess, dann haben wir unseren Job gut gemacht. Und am Ende zählt genau das – ob die Person wirklich zufrieden ist.

Ihr persönliches Fazit

Legal Coaching hat mich fachlich und menschlich wachsen lassen und für mich zwei Welten verbunden: die Klarheit des Rechts und die Tiefe menschlicher Prozesse. Ich habe gelernt, dass Paragraphen allein selten den Unterschied machen – entscheidend ist, ob Menschen in der Lage sind, gute und stimmige Entscheidungen für sich zu treffen. Coaching ist für mich dabei kein „Add-on“, sondern ein Schlüssel, um Blockaden zu lösen, Perspektiven zu öffnen und Mandant*innen zu befähigen, den für sie richtigen Weg zu wählen.

Mich erfüllt, dass ich dadurch nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich begleiten darf. Besonders im Datenschutz und in komplexen IT-Projekten zeigt sich, wie wertvoll Legal Coaching ist: Verschiedene Akteure – von Geschäftsführung über IT bis Marketing – sprechen oft völlig unterschiedliche Sprachen. Coaching hilft, diese Sprachen miteinander zu verbinden, Missverständnisse zu klären und so tragfähige, rechtssichere und praxistaugliche Lösungen zu entwickeln.

Legal Coaching ist für mich daher mehr als eine Methode – es ist ein Ansatz, der die Anwaltsarbeit zukunftsfähig macht und dabei den Menschen ins Zentrum rückt.

Vielen herzlichen Dank.

Freuen Sie sich auf weitere (Legal) Coaches und lassen Sie sich inspirieren!

Mehr zu Johannes Rauchfuss finden Sie hier:

www.ra-rauchfuss.de
www.onlinerechthaben.de
www.linkedin.de/in/rechtsanwalt-rauchfuss

Foto: Galya Feiermann