02.09.2020

Rezension: Jens Wagner - Legal Tech und Legal Robots

Der Wandel im Rechtswesen durch neue Technologien und Künstliche Intelligenz

Jens Wagner beschäftigt sich als Rechtsanwalt bei der Großkanzlei Allen Overy und Mitbegründer des Liquid Legal Instituts e.V. bereits seit Jahren mit Legal Tech in sämtlichen Ausprägungen. Zusätzlich zur 1. Auflage aus 2017 widmet sich diese erweiterte 2. Auflage dem "Ökosystem Recht", insbesondere den Punkten e-Justice und e-Government.

Daher zeichnet sich dieses Buch nun gerade in dieser erweiterten Auflage durch einen gesamtheitlichen Überblick, aber auch durch enorme Detailkenntnis aus, was durch eine saubere und logische Gliederung ebenso unterstützt wird wie durch die fundierte und gut sortierte Literaturliste am Ende jeden Kapitels.

Zwar wird dieser Überblick vor allem aus der Außenperspektive einer Großkanzlei, die vornehmlich mit Unternehmen arbeitet, vermittelt. Der innovative Jurist, der am Anfang seiner eigenen Legal Tech Reise steht, aber auch der motivierte ITler wird sich daher eher nicht abgeholt fühlen bei der Frage, wie er selbst am Besten praktisch startet.

Entschädigt wird der interessierte Leser jedoch mit topaktuellen und auch weniger geläufigen Legal Tech Bereichen und Nischen, die noch dazu systematisch eingeordnet und bewertet werden.

So werden die Anfänge von Legal Tech und der entstandene Hype darum ebenso erklärt wie die verschiedenen Digitalisierungswellen, die Verbände, Netzwerke und speziellen Veranstaltungsformate dargestellt und Ansätze wie Legal Design eingeordnet.

Sehr schön ausführlich und für jeden Juristen leicht verständlich werden die Themen "Billing", "Portale", "AppStores", "Vertragsverhandlungssoftware", "Recruitment" und "KnowledgeManagement" beschrieben. Aber auch der elektronische Rechtsverkehr, das beA und die virtuelle Akte kommen nicht zu kurz.

Andere Themen wie "Blockchain" oder auch Legal Tech im Bereich der Prozessfinanzierer könnten für meinen Geschmack etwas fokussierter gestaltet werden, bedienen jedoch in jeder Hinsicht die Bedürfnisse ambitionierter "Legal Techies".

Komplettiert wird diese umfassende Darstellung von der Legal Tech Kartografie.

Der Abschnitt zu Legal Robots setzt die aktuell heiß-diskutierten Themen wie KI, Big Data, Language Processing in Szene und zeugt von einem tiefen technologischen Verständnis des Autors, der gleichzeitig sich nicht scheut, auch die dringendsten Zukunftsthemen offen anzusprechen.

Dies gilt dann am Ende auch dem einerseits damit verbundenen notwendigen Wertewandel innerhalb der Legal Profession (Stichwort: "Enabler") als auch andererseits den berufsrechtlichen Hindernissen und Implikationen (Stichwort: Unternehmertum von Anwälten und Kollaboration)

Dieses Buch gibt sowohl Juristen als auch Informatikern einen tiefen Einblick in die Auswirkungen von  Legal Tech auf das "Ökosystem Recht" .

Zwar wird es die dem Buch vorangestellte These von Richard Susskind, dass "das Anforderungsprofil zukünftiger Juristen eine Verschmelzung von rechtlicher und technologischer Komptenz erfordere" (in "The End of Lawyers?", 2008) schlussendlich nicht zweifelsfrei beweisen können.

Jens Wagner sieht stattdessen (zunächst) eine Verschiebung der rein juristischen Kompetenz hin zum betriebswirtschaftlich-strategischen Berater, der durch Legal Tech weitgehend im rein rechtlichen Feld entlastet wird.

Dass "Karrierestrukturen in Großkanzleien neu gedacht werden müssen" und "Anwaltspersönlichkeiten zunehmend hinter Kanzleimarken verschwinden", sind hingegen aus meiner Sicht nicht notwendigerweise Folgen der Legal Technologisierung, sondern eher (zufällig) ebenfalls unvermeidbare Zukunftsszenarien.

Das Abschlusswort zur Digitalisierung der Geseze und ihres Vollzuges und der damit verbundenen nachhaltigen Veränderung des Rechtswesens (der sog. 3. Digitalisierungswelle) läßt den Leser neugierig und fasziniert in die Zukunft schauen.

(Rezension: Dr. Geertje Tutschka, September 2020)

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Jens Wagner

Legal Tech und Legal Robots - 

Der Wandel im Rechtswesen durch neue Technologien und Künstliche Intelligenz

Springer Gabler, Fachbuch, 134 Seiten (2. Auflage) Preis: 29,99 €

 

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